24.08.2017
Herr Dr. Parasta, was schadet unseren Augen am häufigsten?
Dr. Amir-M. Parasta: Trockene Augen sind die größte "Volkskrankheit" dieses Sinnesorgans. Bei den unter 50-jährigen wird die Erkrankung meist durch das Tragen weicher Kontaktlinsen verursacht. Das Silikonmaterial der Kontaktlinsen führt zu einer chronischen allergischen Reaktion, die die Trockenheit hervorruft. Bei den über 50-jährigen Patienten ist oft eine chronische Verstopfung der Lidranddrüsen (Lidrandentzündung) der Auslöser. Weitere Ursachen können aber auch Allergien wie Heuschnupfen, Bildschirmarbeit und hormonbedingte Benetzungsstörungen sein.
In welchen Fällen gehen Patienten besonders nachlässig mit ihrer Augengesundheit um?
Dr. Parasta: Wir beobachten die meisten augenmedizinischen Dauerschäden bei Trägern weicher Kontaktlinsen. Die jahrelange Mangelernährung der Hornhaut unter der Kontaktlinse und die Ansammlung von Abbauprodukten in der Hornhaut bewirken Jahr für Jahr eine schwindende Zelldichte. Das Problem: Das tut nicht weh und ist auch nicht spürbar. Erst wenn Blendempfindlichkeit oder Fehlsichtigkeit zunehmen, die Nachtsicht schlechter wird oder gar die Kontaktlinsen nicht mehr vertragen werden, suchen die Betroffenen fachärztlichen Rat. Hier ist nicht selten das Kind „bereits in den Brunnen gefallen“.
Es kommt also zu irreparablen Schäden?
Dr. Parasta: Ja, die Endothelzelldichte der Hornhaut ist dann reduziert und die Blendempfindlichkeit damit nicht mehr heilbar. Nicht selten liegt auch bereits eine so dünne Hornhaut vor, dass eine Dauerkorrektur mittels Augenlaser unmöglich ist. Helfen kann man dann mit Brille oder implantierbaren Linsen. Dies sind die derzeit sichersten Verfahren.
Was ist der wesentliche Vorteil einer Linsen-Implantation gegenüber dem Laser?
Dr. Parasta: Während Laser-Eingriffe an der Hornhaut - wie die LASIK Methode - nur bei geringer bis mittlerer Fehlsichtigkeit sicher und nachhaltig sind, können Linsenimplantationen fast jede Art von Fehlsichtigkeit dauerhaft korrigieren. In der Regel ist danach selbst bei extremer Fehl- oder Alterssichtigkeit wieder dauerhaft scharfes Sehen möglich. Doch nicht jeder ist für jedes Verfahren zur Korrektur von Fehlsichtigkeit gleich gut geeignet. Dies lässt sich zuvor nur durch eine detaillierte Untersuchung mit exakten Messungen am Auge klären.
Warum sind regelmäßige Untersuchungen der Augen auch ohne akute Beschwerden wichtig?
Dr. Parasta: Die wirklich gefährlichen Risiken für unsere Sehkraft sind nicht schmerzhaft und machen sich leider zu spät bemerkbar: Das sind Schäden der Hornhaut durch Trockenheit oder Kontaktlinsen sowie kleine Netzhautschäden. Insbesondere bei Kurzsichtigen über 40 können unbehandelte Netzhautlöcher zu Netzhautablösungen führen. Diese müssen operativ versorgt werden und können zu bleibenden Verlusten der Sehleistung führen. Ebenso heimtückisch ist der langsame und leise Untergang der Sehnerven durch den Grünen Star.
Alle diese Risiken sind bei rechtzeitiger Diagnose und frühzeitig eingeleiteter Therapie vermeidbar und heilbar. Daher ist es wichtig, spätestens ab dem 30. Lebensjahr einmal jährlich zur augenärztlichen Vorsorgeuntersuchung zu gehen.
Worauf schauen Sie bei einer Vorsorgeuntersuchung konkret?
Dr. Parasta: Wir nehmen sozusagen alles „unter die Lupe“, was still und leise Schaden anrichten kann: Wir untersuchen die Hornhautzelldichte (Endothel), den Augeninnendruck, die Klarheit der Linse sowie den Augenhintergrund. Die Untersuchung des Sehnervs ist ein wesentlicher Bestandteil zum Ausschluss des Grünen Stars.
Welche Allgemeinerkrankungen lassen sich bei einer Augenuntersuchung erkennen?
Dr. Parasta: Fast alle Erkrankungen, die das Gefäßsystem des Körpers betreffen, spiegeln sich auch in den Gefäßen des Auges wider. Hierzu gehören Schäden durch Diabetes, Gefäßverkalkungen oder Fettablagerungen. Auch ein chronisch erhöhter Blutdruck und andere Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall lassen sich am Auge sehr gut erkennen.
Was sind die häufigsten Sehstörungen und wie äußern sich diese?
Dr. Parasta: Die häufigste Sehstörung, die sich bei fast jedem spätestens Ende 40 meldet, ist die sogenannte Alterssichtigkeit. Das Fokussieren auf die Nähe wird dann schwieriger. Hier helfen Lese- und Gleitsichtbrillen oder eine Dauerkorrektur mittels implantierbarer Multifokallinsen. Häufig suchen die Patienten den Augenarzt auch auf, weil sie "fliegende Flusen" sehen. Diese störenden Schwebepartikel im Gesichtsfeld sind zwar störend, aber harmlos. Treten sie allerdings zusammen mit "Lichtblitzen" oder plötzlich vermehrt auf, so ist eine augenärztliche Kontrolle erforderlich. Wir sprechen hier von dem sogenannten "Rußregen-Phänomen". Dieses kann Frühzeichen einer kleinen Blutung im Auge oder einer Netzhautablösung sein. Um eine rechtzeitige Versorgung der Netzhaut sicher zu stellen, ist Eile geboten.
Und welche Störungen sind ab 60 am häufigsten?
Dr. Parasta: Ab dem 60. Lebensjahr ist die natürliche Linsentrübung die häufigste Sehstörung. Die allmähliche Abnahme der Sehleistung, eine erhöhte Blendempfindlichkeit und ein erhöhter Lichtbedarf sind erste Anzeichen für den Grauen Star. In diesem Fall hilft der Austausch der getrübten und altersschwachen Linse durch eine korrigierende Linse. Moderne Multifokallinsen machen sogar das Tragen einer Brille überflüssig.
Kann ich meinen Augen durch bestimmte Ernährung Gutes tun?
Dr. Parasta: Eine mediterrane Kost mit viel buntem Gemüse liefert die notwendigen Vitamine und Radikalfänger sowie die Farbstoffe, die das Auge als natürlichen Lichtschutz benötigt. Omega 3-reiche Ernährung, wie etwa Meeres-Fische, leistet einen guten Beitrag zum Schutz der Netzhaut und trägt auch zu einem gesunden und stabilen Tränenfilm bei.
Was ist Ihr wichtigster Präventiv-Tipp zum Schutz der Augen?
Dr. Parasta: Leider wird heute der Umgang mit weichen Kontaktlinsen sehr oft auf die leichte Schulter genommen. Nur weil man Kontaktlinsen ohne Rezept frei kaufen kann, heißt das nicht, dass sie ungefährlich sind. Die Erfahrung zeigt: Weltweit entstehen mehr irreparable Augenschäden durch Kontaktlinsen als durch alle Augenoperationen zusammen. Ich empfehle Kontaktlinsenträgern daher eine halbjährliche Vorsorgeuntersuchung der Augen und mindestens einmal im Jahr eine Messung der Endothelzelldichte der Hornhaut.
Schützt Augengymnastik vor Fehlsichtigkeit?
Dr. Parasta: Man weiß heute, dass Augengymnastik leider keinen nachhaltigen Effekt auf Fehlsichtigkeit hat - auch wenn sie von den meisten sicher als wohltuend empfunden wird. Gönnen sollte man seinen Augen möglichst regelmäßig eine Entspannung zwischendurch - idealerweise verbunden mit einem Spaziergang in der Natur. Denn Bewegung ist nicht nur gut für Herz und Kreislauf, sondern auch für unser Sehorgan.
Schadet eigentlich Lesen unter der Bettdecke wirklich unseren Augen?
Dr. Parasta: Bei Kindern weiß man, dass das Lesen unter schlechten Lichtbedingungen (wie zum Beispiel das Lesen mit der Taschenlampe unter der Bettdecke) zu einem Längenwachstum des Auges und damit in der Tat zur Kurzsichtigkeit führen kann. Auch bei Erwachsenen fördert exzessive und lange Naharbeit eventuell die Kurzsichtigkeit.
NK