03.06.2015
Rund 1,5 Prozent aller Deutschen leiden unter einem störenden Dauerton im Ohr, dem chronischen Tinnitus. Ihnen hilft nur ein Hörgerät und eine Verhaltensänderung. Das stellte Professor Dr. Gerhard Hesse von der Tinnitus-Klinik in Bad-Arolsen klar.
Rund 15 Prozent aller Deutschen hatte schon mal Ohrgeräusche, bei rund 1,5 Prozent sind sie chronisch geworden. Fast immer sind bei diesen Menschen die sogenannten Haarzellen im Ohr unwiderruflich beschädigt. Der Tinnitus geht in nahezu allen Fällen mit einer Hörminderung in bestimmten Tonlagen einher, auch wenn Betroffene das selbst nicht wahrnehmen. Genau auf dieser Frequenz entsteht das Ohrgeräusch. Wer tiefe Töne schlecht hört, hat ein brummendes Ohrgeräusch, wem die hohen Frequenzen fehlen, bei dem pfeift und schrillt es eher. Hören ist insgesamt ein komplexer Vorgang auf der Bahn vom Ohr ins Gehirn, wo ein eigenes Zentrum zur Hörverarbeitung existiert. Weil das Hörzentrum versucht, das schlechte Hören auf den betroffenen Frequenzen auszugleichen und das Hörsystem dahingehend verstärkt, wird auch das Ohrgeräusch lauter.
Nur ein Hörgerät durchbricht nach Aussage von Hesse auf einer internationalen pharmazeutischen Fortbildungswoche in Meran diesen Teufelskreis. Zusätzlich empfahl er eine Verhaltenstherapie, die das Weghören trainiert und Stress abbaut. Der akute Tinnitus dagegen lässt sich - genauso wie der akute Hörsturz - mit hohen Dosen Kortison oft erfolgreich behandeln. Beide Erkrankungen tauchen häufig zusammen auf: der Hörsturz als spontaner Hörverlust, der Tinnitus als plötzliches Ohrgeräusch. Das Kortison gibt man als Infusion oder als Tabletten. Neuerdings steht auch eine Spritze zur Anwendung direkt im Ohr und durch das Trommelfell hindurch zur Verfügung. Die kommt derzeit dann zur Anwendung, wenn Tabletten oder Infusion nicht geholfen haben.
Eine Absage erteilte Hesse den vielen anderen Behandlungsangeboten. Durchblutungsfördernde Mittel hätten in Studien keine nachweisbare Wirksamkeit bewiesen. Eine Reihe von Geräten seien am Markt: mit magnetischer Bestrahlung oder akustischer Stimulation bis hin zu gefilterter Lieblingsmusik. Eine Wirksamkeit sei hier nicht nachgewiesen. Die Therapie ursächlicher Erkrankungen sowie der Folgen der akuten oder chronischen Tinnitusformen sei unter Umständen sinnvoll. So kann vorübergehend ein Beruhigungsmittel den Stress dämpfen und ein Antidepressivum die Depression nehmen, die entweder vorher schon da war oder als Folge des unbewältigten Ohrgeräusches entsteht.
JPL