PZ/RF
|
08.02.2025 08:36 Uhr
„Hörverlust und Demenz haben oft überlappende Symptome“, erklärt Professor Dr. Jan Löhler, Präsident des Deutschen Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohrenärzte, bei einem Seminar von DigiDem, dem digitalen Demenzregister Bayern. Dazu gehören sozialer Rückzug und Fehleinschätzungen in Gesprächen, weil der Mensch meint, die anderen redeten über ihn und nicht mit ihm, oder weil er Ironie in der Stimme nicht mehr erkennt. Auch Niedergeschlagenheit, Ängstlichkeit und Kommunikationsprobleme können sowohl durch Schwerhörigkeit als auch durch eine Demenz ausgelöst werden.
Unbehandelter Hörverlust als Demenz-Risikofaktor
Laut einem Bericht der Fachzeitschrift "The Lancet" könnten bis zu 45 Prozent der Demenzfälle durch die Vermeidung von 14 Risikofaktoren verhindert oder verzögert werden. Hörverlust im mittleren Alter gehört dabei zu den bedeutendsten Faktoren: Gemäß der Forschungsgruppe könnten 7 Prozent der Demenzfälle verhindert werden, wenn ein Hörverlust im mittleren Alter behandelt wird.
Dennoch bleibt die wissenschaftliche Einschätzung vorsichtig. „Diese 7 Prozent sind eine steile These; das wird wissenschaftlich stark diskutiert“, relativiert Löhler und formuliert zurückhaltender: „Grundsätzlich kann das Demenzrisiko durch Hörhilfen vermutlich positiv beeinflusst werden.“
Eine dänische Studie, die Anfang 2024 im Fachjournal „JAMA Otolaryngology – Head & Neck Surgery“ publiziert wurde, unterstreicht diese vorsichtigere Einschätzung. Menschen mit diagnostiziertem Hörverlust erkrankten laut der Studie häufiger an einer Demenz als Hörgesunde und das Risiko war geringer, wenn sie ein Hörgerät verwendeten. Allerdings unterstreichen die Studienautoren, dass das Risiko deutlich geringer war als in früheren Studien, und fordern mehr qualitativ hochwertige Langzeitstudien.
Hörschwäche wird vielfältig kompensiert
Schwerhörigkeit im Alter (Presbyakusis) ist weit verbreitet. Etwa ein Drittel aller Betroffenen ist mindestens 65 Jahre alt. Ein Problem: Viele Betroffene bemerken ihre Schwerhörigkeit nicht oder unterschätzen sie. „Man ahnt, was gesagt werden soll“, beschreibt Löhler eine gängige Kompensationsstrategie. Andere vermeiden laute Umgebungen oder ziehen sich aus Gesprächen zurück, was soziale Isolation und kognitive Einbußen begünstigt.
Zum anderen bestehe oft ein Vermeidungsverhalten. Kritische Situationen wie Feiern oder Treffen in lauter Umgebung würden vermieden; manche Betroffene reagierten in Gesellschaft mit Rückzug und (freundlicher) Schweigsamkeit, nur um nicht angesprochen zu werden; andere redeten pausenlos, um anderen nicht zuhören zu müssen.
Hörschwäche vermindert geistige Anregung
Doch diese Verhaltensweisen belasten wiederum den Kontakt zu anderen Menschen und vermindern geistige Anregungen. Zudem erschwert der Hörverlust die Orientierung, zum Beispiel in Räumen oder im Straßenverkehr. Stürze, Depression und Krankenhausaufenthalte seien laut Löhler mit schlechtem Hören verbunden.
Jede Hörschwäche müsse HNO-ärztlich abgeklärt werden, um überlappende Symptome und Erkrankungen zu erkennen. „Wir müssen Menschen schon bei mildem Hörverlust identifizieren und dafür sensibilisieren beziehungsweise mit Hörgeräten versorgen.“ Der Arzt empfahl einen ersten orientierenden Hörtest um das 50. Lebensjahr herum.
Während der genaue Zusammenhang zwischen Schwerhörigkeit und Demenz noch erforscht wird, unterstreichen Experten die Wichtigkeit regelmäßiger Hörtests und angemessener Versorgung mit Hörhilfen. Diese Maßnahmen könnten nicht nur das Hören verbessern, sondern auch einen Beitrag zur langfristigen geistigen Gesundheit leisten.