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16.12.2021
Die Infektionen mit der Omikron-Variante des Coronavirus verdoppeln sich aktuellen Daten aus Großbritannien zufolge alle zwei bis drei Tage. „Das ist eine Geschwindigkeit, die niemand so richtig auf dem Radar hatte“, sagte Professor Dr. Dirk Brockmann von der Humboldt-UniversitätBerlin heute bei einer Online-Pressekonferenz des Science Media Center Germany. Es sei gerade in Dänemark und Großbritannien zu beobachten, wie rasch Omikron das Infektionsgeschehen übernehmen könne, weil quasi kein Widerstand in Form von Immunschutz in der Bevölkerung vorhanden sei, erklärte Brockmann, der am Robert Koch-Institut die Projektgruppe Epidemiologische Modellierung von Infektionskrankheiten leitet.
Der Grund hierfür ist die ausgeprägte Fähigkeit von Omikron zur sogenannten Immunflucht. Sie ermögliche es dem Virus, wieder mehr Wirte zu finden als zum Beispiel die Delta-Variante, sagte Professor Dr. Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Sie hatte vergangene Woche mit ihrer Arbeitsgruppe gezeigt, wie stark der Immunschutz durch die Impfung bei dieser Variante reduziert ist.
Ein Schutz vor schweren Verläufen durch die Coronaimpfungen ist laut Ciesek aber vermutlich noch erhalten. Laut Daten aus Südafrika schützt die vollständige Impfung mit dem Covid-19-ImpfstoffComirnaty® von Biontech/Pfizer noch zu 70 Prozent vor Hospitalisierungen. Ersten Daten aus Dänemark zufolge liege die Rate an Krankhauseinweisungen bei Delta-Infektionen bei 0,7 Prozent und bei Omikron-Infektionen bei 0,8 Prozent – also im gleichen Bereich. Die Daten seien aber aufgrund der geringen Fallzahl bei Omikron-Infektionen noch mit Unsicherheit behaftet.
Rasante Ausbreitung in Großbritannien
„Um die weitere Verbreitung des Virus in Deutschland vorherzusagen, ist der Blick auf Großbritannien sinnvoll“, sagte Brockmann. Laut den Modellrechnungen sei in Großbritannien mit 400.000 bis 700.000 Neuinfektionen pro Tag zu rechnen. Hält der Trend an, könnte es Ende Dezember sogar zu einer Million Neuinfektionen täglich kommen. „Somit könnte sich in einem Zeitraum von Dezember bis April die Hälfte der britischen Bevölkerung infizieren“, verdeutlichte Brockmann. Das könne man auch auf Deutschland übertragen, weil in der Modellierung auch schon Schutzmaßnahmen wie Masketragen und Kontaktbeschränkungen mit einberechnet waren.
Ob diese Maßnahmen bei Omikron überhaupt funktionieren, sei jedoch noch nicht abzusehen. Den Wildtyp des Virus habe man damals „in die Knie zwingen können“, bei Omikron müsse aber „ungleich mehr passieren“, um das Virus überhaupt zu entschleunigen. Man müsse jetzt alles dafür tun, damit möglichst wenig Schaden in der Bevölkerung entsteht, aber zu stoppen sei Omikron seiner Einschätzung nach nicht.
Vom Booster nicht zu viel erwarten
Diese Einschätzung teilt Ciesek und warnte in diesem Zusammenhang auch vor überhöhten Erwartungen an Booster-Impfungen. Auch eine Auffrischimpfung sei kein 100-prozentiger Schutz vor einer Infektion, sagte die Virologin. Sie verwies auf Fälle von bereits geboosterten Menschen, die sich selbst infiziert und auch andere Personen angesteckt hätten. »Im Moment habe ich das Gefühl, dass vermittelt wird: Lassen Sie sich boostern und die Welt ist wieder gut. Das ist nicht so.« Insbesondere bei Kontakt mit Risikogruppen sei Vorsicht geboten.
Alle Experten betonten, dass jetzt rasches antizipatorisches Handeln vonseiten der Politik notwendig sei. Wichtig seien Notfallpläne für verschiedene denkbare Szenarien, um im Fall der Fälle schnell zu handeln.