Natascha Schleif
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25.01.2025 09:21 Uhr
Zuckerhaltige Getränke, Eiscreme, Pudding & Co enthalten reichlich Zucker und Kalorien. Um abzunehmen, scheint es logisch, zu entsprechenden Light-Produkten ohne Zucker zu greifen, die stattdessen künstlichen Süßstoffe enthalten und damit kalorienärmer sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät davon jedoch in einer Leitlinie zur gesunden Ernährung ab. In Studien zeigte sich kein Nutzen von Süßstoffen zum Abnehmen.
Dr. Stefan Kabisch von der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité Universitätsmedizin Berlin ordnet diese Empfehlung ein: “Tatsächlich hat sich in randomisiert-kontrollierten Studien gezeigt, dass das Gewicht bei der Anwendung von Süßstoffen innerhalb eines Jahres sehr leicht sinkt, um etwa ein bis zwei Kilogramm. Wenn man sich aber überlegt, wie viel Zucker durch die Süßstoffe eingespart wurde, müsste die Gewichtsabnahme eigentlich viel größer sein – schätzungsweise zehn bis 15 Kilogramm.” Eine eindeutige Erklärung für dieses Phänomen gibt es bislang nicht. “Einige Studien legen nahe, dass Süßstoffe die Bakterienzusammensetzung im Darm – das Mikrobiom – verändern. Die Datenlage dazu ist allerdings noch sehr undurchsichtig”, erklärt der Experte.
Regen Süßstoffe den Appetit an?
Eine andere Erklärung könnte sein, dass Süßstoffe den Appetit ankurbeln. “Als es noch keine vollen Supermärkte gab, war es für unseren Körper sinnvoll, Energie zu ‘bunkern’. Die einzige Energiequelle, die es saisonal gab, war zuckerreiches Obst. Wenn wir etwas Süßes schmecken, ist unser Gehirn also darauf ausgerichtet, so viel wie möglich davon zu essen, um Fettreserven für schlechte Zeiten anzulegen”, erklärt Kabisch. Dieses genetische Programm tragen wir immer noch in uns, obwohl heutzutage überall Süßes in Reichweite ist. “Süßstoffe regen also das Belohnungssystem im Gehirn an, sie erzeugen dabei aber – anders als Zucker – keinen Sättigungsreiz. Daher ist es durchaus möglich, dass künstlich gesüßte Lebensmittel den Appetit anregen.”
Sind Süßstoffe schädlich?
Die WHO begründet ihre ablehnende Haltung gegenüber Süßstoffen neben dem mangelnden Nutzen auch damit, dass zuckerfreie Süßungsmittel auf Dauer das Risiko für Typ-2- Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen könnten. Kabisch sieht diese Warnung jedoch kritisch: “Die erhöhten Risiken stammen ausschließlich aus Beobachtungsstudien, die sehr anfällig für Fehlinterpretationen sind. Möglich ist nämlich auch, dass nicht Süßstoffe krank machen, sondern Menschen mit Übergewicht und einem ungesunden Lebensstil generell häufiger zu Süßstoffen greifen. In methodisch besser gemachten Studien hat sich bislang kein negativer Effekt durch Süßstoffe auf die Gesundheit gezeigt.”
Verlangen nach Süßem abtrainieren
Ein Wundermittel zum Abnehmen stellen Süßstoffe trotzdem nicht dar. Kabisch rät stattdessen dazu, sich das Bedürfnis nach süßen Getränken und Lebensmitteln Stück für Stück abzutrainieren: “Wenn man Süßes deutlich reduziert oder ganz darauf verzichtet, wird der Heißhunger darauf mit der Zeit weniger. Und wenn man dann doch mal zu einem Keks oder einem Stück Schokolade greift, merkt man oft, dass diese dann furchtbar süß schmecken und man sie vielleicht gar nicht mehr so gerne mag wie früher. Der schlauere Weg ist also, insgesamt Zucker und auch Süßstoffe zu reduzieren. Dann nimmt das Bedürfnis danach auch ab.”