Natascha Koch
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25.04.2022
Die Zahl der Mandeloperationen in Deutschland nimmt seit Jahren ab. Dieser Trend hat sich nun während der Pandemie deutlich verstärkt, ohne dass Notfalleingriffe zunahmen. Während zwischen Januar 2019 und 15. März 2020 durchschnittlich 556,1 Mandelentfernungen je Woche durchgeführt wurden, sank die Zahl im ersten Lockdown vom 16. März bis 3. Mai 2020 auf 110,7 Eingriffe je Woche. In dieser Zeit wurden Kliniken auch dazu aufgerufen, planbare Operationen zu verschieben. Aber auch nach der Lockerung der Corona-Beschränkungen im Sommer 2020 blieben die Zahlen auf einem niedrigen Niveau und pendelten sich auf 326,0 Fälle je Woche ein. Bei Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 17 Jahren halbierten sich die Fallzahlen sogar.
„Die AHA-Regeln während der Pandemie dürften das Auftreten von Mandelentzündungen reduziert haben, die in der Regel Anlass für die Mandelentfernung sind. Die Hygieneregeln stellen deshalb ein wirksames Instrument gegen die Verbreitung von Erkältungskrankheiten ganz unabhängig von der Pandemie dar“, sagt Studienautor Christian Günster, Leiter des Bereichs Qualitäts- und Versorgungsforschung im WIdO. Auffällig sei auch, dass es nicht nur einen deutlichen Rückgang der Fallzahlen bei den planbaren operativen Mandelentfernungen gab, sondern auch, dass sich Behandlungen akuter Mandelentzündungen mit Antibiotika und Notfalleingriffe signifikant verringert haben. Dies spiegelt sich in den Fallzahlen von schmerzhaften Abszessen an den Gaumenmandeln wider, die als Komplikation einer eitrigen Mandelentzündung auftreten können. Bei kleineren Abszessen wird meist ausschließlich mit Antibiotika behandelt. Sehr weit fortgeschrittene Abszesse, die begleitende Verschlechterungen des Allgemeinzustandes verursachen, müssen operativ entfernt werden.
Für die Studie wurden die Krankenhauseinweisungen aller Patientinnen und Patienten in Deutschland zwischen Januar 2019 und September 2021 sowie ambulante Versorgungsdaten von AOK-Versicherten der Jahre 2019 und 2020 ausgewertet. Die WIdO-Analyse wurde im medizinischen Fachjournal „European Archives of Oto-Rhino-Laryngology“ veröffentlicht.
Quelle: DOI 10.1007/s00405-022-07308-8