Arzneimittel

Wie lässt sich die Apotheke vor Ort schützen?

11.09.2017

Die wohnortnahen Apotheken stellen in Deutschland die Versorgung mit Medikamenten sicher. Dieses Erfolgsmodell wird jedoch auf EU-Ebene zunehmend in Frage gestellt: So hat der Europäische Gerichtshof im Oktober 2016 ausländische Arzneimittelversender einseitig von der Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel befreit und damit eine Schieflage im Wettbewerb begründet, die die Versorgung mit Medikamenten gefährdet (<link>aponet.de berichtete). Vor der Bundestagswahl 2017 haben Apotheker im Rahmen der Initiative "Wahlradar Gesundheit" die Kandidaten der sechs großen Parteien befragt, wie sie die inhabergeführte Apotheke vor Ort schützen wollen.

Die großen Parteien in Deutschland setzen sich mehrheitlich für den Schutz der inhabergeführten Apotheke ein.
Die großen Parteien in Deutschland setzen sich mehrheitlich für den Schutz der inhabergeführten Apotheke ein.
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Wahlradar Gesundheit: "Welche Möglichkeiten sehen Sie, die inhabergeführten Apotheken bei uns vor Ort zu schützen und die pharmazeutische Vollversorgung für die Patienten langfristig zu sichern?"

Meryem Celikkol, Wahlkreis Hamburg-Mitte (Die Grünen)

„Hier sehe ich lediglich die Möglichkeit, bei dem Europäischen Gerichtshof Widerspruch einzulegen. Das Urteil müsste dahingehend geprüft werden, ob die Aufhebung der Preisbindung eine Art Preisdumping und somit den deutschen Arzneimittelhandel in die Knie zwingt, oder ob dadurch die Preise in die Höhe schießen und somit eine flächendeckende Versorgung gefährdet ist. Sollte letzteres der Fall sein, ist Einspruch gegen den Beschluss des Europäischen Gerichtshof aufgrund nicht vertretbarer Gesundheitsgefährdung von Menschen zu erheben. Das wirtschaftliche Interesse kann dem Menschenwohl nicht übergeordnet werden.“

Carsten Müller, Wahlkreis Braunschweig (CDU)

„Die Union unterstützt den von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe MdB vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH müssen wir wieder für gleiche Rahmenbedingungen für alle Apotheken sorgen, um die bestehende Struktur der flächendeckenden, wohnortnahen und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln auch weiterhin zu gewährleisten. Gleichzeitig soll erreicht werden, dass die Steuerungsfunktion der sozialversicherungsrechtlichen Zuzahlungsregelungen nicht durch den mit Boni verbundenen Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus anderen Staaten unterlaufen wird. In einem auf dem Sachleistungsprinzip beruhenden solidarisch finanzierten System der Gesundheitsversorgung sind Boni in Form von Bargeld oder Gutscheinen an Patientinnen und Patienten nicht sachgerecht. Deutschland schließt sich damit den 21 Mitgliedstaaten der Europäischen Union an, die in ihrem nationalen Recht ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Humanarzneimitteln verankert haben. Weiterhin wird die Zustellung von Arzneimitteln durch Apothekenpersonal vom Versandhandel abgegrenzt. Wir werden auch diskutieren müssen, wie wir die Apothekenhonorierung weiterentwickeln, um insbesondere wieder mehr Apotheken in die ländlichen Räume zu bekommen.“

Jens Kestner, Wahlkreis Goslar – Northeim – Osterode (AfD)

„Unsere Gesundheit ist ein kostbares Gut. Sie gehört in die Hände von Fachleuten und nicht in den Internethandel, Supermarkt oder Drogerien. In Apotheken arbeiten Fachkräfte, die für diesen Bereich viele Jahre studiert oder eine umfangreiche schulische Ausbildung erfahren haben. Ich persönlich finde es auch moralisch zweifelhaft, das Krankenkassen in Zukunft Rezepte auch über ausländischen Apotheken abrechnen und damit zum Arbeitsplatzabbau in inländischen Apotheken beitragen, obwohl sie doch über die Arbeitnehmer in Deutschland finanziert werden. Um Kosten im Gesundheitswesen zu sparen, sollte man überlegen, Rezeptumsätze von der MWSt zu befreien, oder zumindest auf den ermäßigten MWSt Satz von Lebensmitteln zu senken. Gesundheit ist kein Luxusgut.“

Sebastian Rave, Wahlkreis Bremen I (Die Linke)

„DIE LINKE ist für einen Schutz der wohnortnahen Präsenzapotheken. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19. Oktober 2016, welches die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln infrage gestellt hat, wurde daher auch mit Unverständnis aufgenommen. Einen Preiskampf mit ausländischen Versandhändlern würde wohl den Abwärtstrend bei der flächendeckenden Versorgung mit Apotheken beschleunigen. DIE LINKE hat daher bereits Ende 2016 einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln abzulehnen („Gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung“, Bundestagsdrucksache 18/10561). Leider fand dieser Antrag keine Mehrheit, aber unsere Bemühungen werden hier nicht enden.“

Kristin Krumm, Wahlkreis Helmstedt – Wolfsburg (FDP)

„Mir ist bewusst, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Freigabe des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten bei den Apothekerinnen und Apothekern nicht gut angekommen ist. Dennoch sehe ich persönlich keine Chance, etwas dagegen zu unternehmen. Europa steht für einen freien Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Einerseits können wir uns dieser Entwicklung nicht entgegenstellen. Andererseits können wir jedoch dafür sorgen, dass sowohl die inhabergeführten Apotheken als auch deutsche und europäische Versandapotheken die gleichen fairen Wettbewerbsbedingungen vorfinden. Trotz dieser für Apothekerinnen und Apotheker verständlicherweise unbefriedigenden Situation glaube ich persönlich an die inhabergeführte Apotheke in meinem Wohnort. Ich bezieht dort nicht nur meine Medikamente, sondern auch meine Kosmetik. Die Medizin ist ein sensibles Feld. Unabhängig von europäischen Vorgaben entscheiden letztendlich die Kundinnen und Kunden selber, wo sie Ihre Produkte kaufen, nämlich dort, wo sie sich gut persönlich beraten fühlen.“

ABDA

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