10.04.2017
Ein bisher für harmlos gehaltenes Virus könnte die Autoimmunkrankheit Zöliakie auslösen. Betroffene vertragen dann kein Gluten mehr, ein Eiweiß, das natürlicherweise in vielen Getreidesorten und anderen Lebensmitteln vorkommt. US-Forscher aus Chicago und Pittsburgh berichten darüber im Fachblatt Science.
Eine Infektion mit bestimmten Darmkeimen, sogenannten Reoviren, löst laut der Forschergruppe normalerweise keine Krankheitssymptome aus – weder bei Menschen noch bei Mäusen. Das Immunsystem bekämpft die Infektion und bildet Antikörper, die vor einer erneuten Ansteckung schützen. Muss sich das Immunsystem jedoch zeitgleich zu der Reovirus-Infektion auch mit Gluten aus der Nahrung „beschäftigen“, setzt das eine andere Reaktion in Gang: Die Toleranz gegenüber Gluten geht verloren, und es treten Entzündungsreaktionen im Darm auf. Das zeigte sich bei Versuchen mit Mäusen. Darüber hinaus fanden die Forscher im Blut von Zöliakie-Patienten häufiger als bei Menschen, die Gluten problemlos vertragen, Antikörper gegen Reoviren. Diese zeigen, dass in der Vergangenheit eine Infektion stattgefunden hat.
Die Studie deutet darauf hin, dass die Virusinfektion die spätere Unverträglichkeit auslösen könnte. Zöliakie tritt oft sehr früh im Leben auf. Die Forscher vermuten den Grund darin, dass das Immunsystem noch nicht voll entwickelt ist, wenn Kinder abgestillt werden und die erste feste, glutenhaltige Nahrung erhalten. „Ereignet sich während dieser Zeit eine Infektion mit dem Virus, kann das bei Kindern, die eine genetische Veranlagung dazu haben, eine Art Narbe im Immunsystem hinterlassen. Das hat Folgen auf lange Sicht“, sagt Studienautorin Professor Bana Nabri vom Zöliakie-Zentrum der Universität Chicago. Sie hofft darauf, dass weitere Studien dazu führen, Kindern in Zukunft einen Impfstoff gegen Zöliakie anbieten zu können. Zöliakie ist nicht mit Gluten-Sensivität zu verwechseln, die sich meist erst im Erwachsenenalter entwickelt.
RF