Pharmazeutin Helan Omar
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14.08.2021
Viele Frauen im gebärfähigen Alter bekommen potenziell kindsschädigende Arzneimittel verordnet, auch Teratogene genannt. „Die grundsätzliche Verordnung von Teratogenen vor einer Schwangerschaft ist nicht das Problem. Vor allem dann nicht, wenn verhütet wird. Spätestens mit Eintritt der Schwangerschaft darf aber kein Teratogen mehr zum Einsatz kommen“, sagt Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse Barmer.
Im Jahr 2018 nahmen 154.000 Frauen im gebärfähigen Alter solche Arzneimittel. Darunter auch Präparate mit besonders stark kindsschädigenden Wirkstoffen. Selbst diese setzten aber nur 31 bis 60 Prozent der Frauen nach Beginn der Schwangerschaft ab.
Doch warum ist das so? „Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte passen die Arzneimitteltherapie an die Schwangerschaft sehr wohl an. Das belegen die zurückgehenden Verordnungszahlen von Teratogenen“, so Prof. Dr. med. Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken. Dass nicht alle Arzneimittel abgesetzt werden, sei vor allem auf Informationslücken in der Frauenarztpraxis zurückzuführen. Die Arzneimitteltherapie von Frauen im gebärfähigen Alter werde zu wenig dokumentiert – und das obwohl 30 Prozent dieser Frauen regelmäßig Medikamente einnehmen. „Deshalb sollten auch Frauen im gebärfähigen Alter mit Dauermedikation einen Rechtsanspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan erhalten“, fordert Straub. Bisher haben nur Patienten Anspruch, wenn sie mindestens drei Medikamente dauerhaft einnehmen.
In Großbritannien dürfen teratogene Arzneimittel grundsätzlich nicht verschrieben werden – sie gelten als sogenanntes „never event“. Solche Maßstäbe sollten laut Straub auch in Deutschland gelten – zumindest in der Frühschwangerschaft, wenn die Organbildung stattfindet.
Quelle: Barmer Arzneimittelreport 2021 - Riskante Medikamente gefährden Ungeborene