27.02.2019
Angst gehört zum Leben dazu. „Es ist normal, sich in einer gefährlichen Situation zu fürchten. Darauf gibt es normalerweise nur zwei Möglichkeiten zu reagieren: Kampf oder Flucht. Und das vegetative Nervensystem und die Motorik müssen automatisch darauf vorbereitet sein, sofort entsprechend zu reagieren“, sagt Dr. André Karger, Facharzt für Psychosomatische Medizin sowie für Psychiatrie und Psychotherapie an der Düsseldorfer Universitätsklinik.
Als sogenannter Basisaffekt gehört Angst deshalb sozusagen zur biologischen Ausstattung und ist früh bei Kindern entwickelt. „Sie erleben entwicklungsbedingt die Wirklichkeit anders als Erwachsene, empfinden Reales als magisch oder fürchten sich vor Phantasiegebilden wie Monstern und Gespenstern“, erklärt der Fachmann.
Ängste gehören zur Entwicklung dazu
Übermäßiger Schrecken kann indes zum Problem werden. Laut Erhebungen des Robert Koch-Instituts zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (BELLA-Studie) sind rund zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen hierzulande von einer akuten Angststörung betroffen. Angststörungen hängen nach Kargers Ansicht vielfach mit den Reaktionen der Bezugspersonen auf die Ängste von Kindern zusammen. „Wenn die Eltern unsicher sind und selbst schnell Angst bekommen, wird das Gefühl beim Nachwuchs verstärkt“, erklärt Karger. Das kann auch passieren, wenn das Kind überbehütet wird. „Es ist aber ebenfalls nicht sinnvoll, gar nicht darauf zu reagieren“, erklärt der Experte und empfiehlt, feinfühlig zu sein, Ängste als zugehörig zur Entwicklung zu akzeptieren sowie das Selbstbewusstsein der Kinder im Umgang damit zu stärken.
Aufmerken heißt es für Eltern, sobald der Sohn oder die Tochter Ängste entwickelt, die den Alltag nachhaltig beeinträchtigen. Zum Beispiel, wenn es nicht möglich scheint, das Kind dazu zu bringen, in die Schule zu gehen oder Verwandte zu besuchen. „Da sollte man erst einmal offen mit den Kindern sprechen und zu verstehen versuchen, was sie erleben. Ängste können ja auch stellvertretend für andere Gefühlsregungen stehen. Beispielsweise kann sich das Kind fürchten, weil ein Elternteil an Krebs erkrankt ist oder weil es in der Familie zu gewalttätigen Handlungen kommt“, sagt der Psychotherapeut.
Hilfsangebote nutzen
Aus seiner Sicht ist es meist hilfreich, sich bei Bekannten umzuhören, wie diese mit kindlichen Ängsten umgehen, und einen entwicklungspsychologischen Erziehungsratgeber zu lesen. „Wenn Eltern dann nicht weiterkommen, sollten sie eine Beratungsstelle für Familien aufsuchen, zum Beispiel bei der Diakonie oder Caritas, und erst im nächsten Schritt einen Termin beim Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder -psychiater ausmachen“, rät der Experte. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist nach Kargers Ausführungen vor allem ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Therapeut und Kind. Karger: „Medikamente werden nur in wenigsten Fällen notwendig.“
Eine Behandlung bei einem approbierten Therapeuten wird von den Krankenkassen bezahlt, Fachleute kann man über die Kassenärztlichen Vereinigungen oder die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung finden: www.deutschepsychotherapeutenvereinigung.de.
Natascha Plankermann