22.06.2016
Laut einem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf soll es ab Frühjahr 2017 möglich sein, dass Ärzte ihren Patienten Cannabis-Zubereitungen verschreiben und Krankenkassen die Kosten dafür in bestimmten Fällen auf Antrag übernehmen können. Wichtig dabei: Das gilt für schwerwiegende chronische Krankheiten und nur, wenn dabei andere anerkannte Behandlungen nicht mehr ausreichend helfen. Das kann zum Beispiel bei unkontrollierten, lähmungsartigen Muskelverkampfungen und Nervenschmerzen bei Multipler Sklerose der Fall sein. Genauso bei erheblichen Rücken- oder Gelenkschmerzen.
Cannabis-Zubereitungen gibt es bisher nur eingeschränkt als fertiges Arzneimittel. Daher sind Apotheker gefordert, sorgfältig geprüftes Ausgangsmaterial als Rezeptur aufzubereiten, so dass die Patienten es gut und sicher anwenden können. Es geht dabei um Cannabis-Blüten oder Cannabis-Extrakte zur Inhalation mittels Verdampfer oder zum Einnehmen. Cannabis soll für die medizinische Anwendung unter staatlicher Aufsicht angebaut oder importiert werden. Der Eigenanbau – auch zu medizinischen Zwecken – bleibt verboten!
Wichtig ist in jedem Fall eine gute apothekerliche Beratung zur medizinischen Cannabis-Anwendung. Das wurde auf dem Symposium "Cannabis als Arzneimittel – Fakten und Herausforderungen" deutlich, das die Bundesapothekerkammer (BAK) kürzlich in Berlin durchgeführt hat. "Wenn Cannabis von Ärzten verordnet und von Apothekern als Rezepturarzneimittel abgegeben wird, dann brauchen die Patienten auch eine eindeutige Gebrauchsanweisung inklusive der notwendigen Hilfsmittel", sagte Dr. Andreas Kiefer, Präsident der BAK.
Das Rauchen von Cannabis als "Joint" sei keinesfalls eine Alternative, denn die im Blut ankommende Dosis ist nicht reproduzierbar. Dadurch mache sich jeder Patient selbst zum Versuchskaninchen, und das jedes Mal wieder. "Das ist mit einer modernen und wissenschaftlich fundierten Arzneimitteltherapie unvereinbar", sagte Kiefer. Er ist auch Vorsitzender der Kommission Deutscher Arzneimittelcodex/Neues Rezepturformularium (DAC/NRF), das an Rezepturvorschriften arbeitet, die eine pharmazeutisch korrekte Anwendung und Dosierung von Cannabis-Blüten und -Extrakten ermöglichen.
Dass Cannabis kein Wundermittel ist und keine überzogenen Erwartungen wecken sollte, machte Professor Dr. med. Michael Schäfer in Berlin deutlich. Er ist Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft und fasste zusammen, was wissenschaftliche Studien bisher zur medizinischen Anwendung von Cannabinoiden ergeben haben. In der Schmerztherapie war der Effekt zumeist eher moderat. Bei Tumorpatienten minderte Cannabis den Schmerz nicht nennenswert. Übelkeit und Erbrechen lindern Cannabinoide ebenfalls nur geringfügig. Bei lähmungsartigen Muskelverkrampfungen, sogenannten Spastiken, zeigte sich in allen Studien eine Besserung, auch wenn sie statistisch nicht deutlich war. Dazu kommt, dass eine Cannabis-Behandlung auch Nebenwirkungen haben kann.
Und doch können Cannabis-Präparate einzelnen Patienten gut helfen, wenn andere Medikamente und Therapieverfahren nicht mehr ausreichen. Umso wichtiger ist, dass Betroffene nicht mehr nur durch spezielle Ausnahmeregelungen Zugang zu Cannabis-Zubereitungen über die Apotheke haben.
FS