16.01.2018
Damit Arzneimittel im Gehirn wirken können, müssen sie einen für viele Stoffe unüberwindlichen Schutzwall des zentralen Nervensystems passieren: die Blut-Hirn-Schranke. Wie man in der Forschung versucht, Arzneistoffe durch diese Barriere zu schleusen, erläuterte Professor Dr. Gert Fricker vom Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie in Heidelberg in einem Vortrag.
Die Blut-Hirn-Schranke besteht aus einem dicht gewebten Belag flacher Zellen, die durchs Gehirn verlaufende Blutgefäße vollständig von innen förmlich wie eine Wandtapete auskleiden. Die flachen Zellen schließen sich dicht zusammen und bilden so eine erste Barriere, durch die nur wenige Stoffe aus Blutgefäßen ins Gehirn übertreten können. Zudem gibt es als weitere Barriere bestimmte Eiweißstoffe – Transportproteine − in den Zellen der Blutgefäßwände. Diese erkennen schädliche Stoffe und pumpen sie sofort zurück ins Blut, falls sie versuchen, von dort ins Gehirn einzudringen. Leider geschieht das auch mit im Blut gelösten Arzneistoffen gegen Hirnleiden.
Forscher versuchen daher, die Transportproteine gezielt zu blockieren, um die Aufnahme von Arzneimitteln ins Gehirn zu erleichtern. Ein anderer Trick besteht darin, Arzneistoffe so einzuhüllen, dass sie von den Transportproteinen nicht mehr richtig erkannt werden und sich dann zumindest zum Teil durch die Blut-Hirn-Schranke „hindurchschleichen“. Entsprechende Versuche haben Forscher mit einem Wirkstoff gegen Krebs durchgeführt, mit Paclitaxel. Es zeigte sich, dass man die Substanz so weit durch die Blut-Hirn-Schranke bekommen kann, dass sie gegen ein Glioblastom, einen tödlichen Hirntumor, wirkt. Das macht Hoffnung, dass man eine solche Therapiemethode vielleicht zukünftig einmal im klinischen Alltag unter anderem gegen Hirntumore einsetzen könnte.
Eine weitere vielversprechende Strategie richtet sich gegen Krankheiten, bei denen sich in alternden Hirnzellen „Müll“ ansammelt. Das gilt als eine der Ursachen für Hirnleiden wie die Alzheimer- oder die Parkinsonkrankheit. Normalerweise werden nicht mehr benötigte oder fehlerhafte Zellbestandteile durch eine Art Müllabfuhr abgebaut. Diese wird durch ein kompliziertes System aus speziellen Eiweißen in Zellen reguliert, die sogenannten ATG-Proteine, erläuterte Professor Dr. Christian Behl vom Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie der Universität Mainz. Man kann nun die ins Stocken geratene Müllabfuhr und die sie regulierenden Proteine mit dafür geeigneten Wirkstoffen beeinflussen, so dass sie wieder besser funktioniert. Auf diese Weise ließe sich eines Tages die Funktion alternder Nervenzellen stabilisieren und damit möglicherweise Hirnleiden wie Parkinson oder Alzheimer wirksam vorbeugen − was bisher nur schwer oder gar nicht möglich ist.
FS