"Die Stoffwechselerkrankung Diabetes ist von Beginn an auch eine Gefäßerkrankung", erklärt Professor Dr. med. Diethelm Tschöpe. "Diabetiker besitzen ein zwei bis drei Mal höheres Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden", so der Vorsitzende der Stiftung "Der herzkranke Diabetiker". Eine Ursache liegt darin, dass bei ihnen eine Thrombose häufiger auftritt.
Bei diesem Krankheitsbild verschließt ein Gerinnsel ein Blutgefäß. Mediziner unterscheiden zwei Formen. Zum einen jene in den Arterien, also der Gefäße, die vom Herzen wegführen. Trifft ein Gerinnsel zum Beispiel die Herzkranzgefäße oder Hirnarterien, kann es einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen.
Zum anderen gibt es Thrombosen in den Venen, also den Gefäßen, die zum Herzen hinlaufen. Im Fall einer Lungenembolie gelangt ein Gerinnsel über den Blutstrom der Vene durch das Herz in die Lunge. Verstopft es dort ein Blutgefäß, kann dies das Herz plötzlich überlasten und zu einem tödlichen Herzstillstand führen.
Tschöpe: "Bei Diabetikern nimmt die Gerinnungsneigung des Blutes zu. Vor allem, wenn der Blutzucker stark schwankt, etwa nach den Mahlzeiten oder bei erhöhten Blutfettwerten." Zudem machen Entgleisungen des Blutzuckers die Innenwände der Blutgefäße klebrig. "Ein Teufelskreis kommt in Gang", warnt Tschöpe. Blut, das leichter gerinnt, kommt mit der klebrigen Gefäßwand in Berührung. Das Risiko, dass sich ein Gefäß verschließt, steigt.
Jedes Jahr diagnostizieren Ärzte in Deutschland bei rund 800000 Patienten eine Venenthrombose. In neun von zehn Fällen trifft sie die Venen in den Beinen und des Beckens. Ärzte sprechen auch von einer tiefen Venenthrombose. "Tief" deshalb, weil es sich um die großen Gefäße handelt, die nicht an der Körperoberfläche, sondern in der Tiefe, zum Beispiel des Beines, verlaufen.
Bei Diabetikern, die bereits erkennbar unter Gefäßschäden leiden, reicht es zur Senkung der Thrombosegefahr in der Regel nicht mehr aus, nur den Blutzucker in gesunde Bereiche zu bringen. Bei Venenthrombosen verschreiben Ärzte gerinnungshemmende Substanzen wie Heparin oder Phenprocoumon. Gegen arterielle Thrombosen setzen sie unter anderem Thrombozyten-Funktionshemmer ein. Hierzu zählen Acetylsalicylsäure und Clopidogrel.
Gefäßprothesen und Umleitungen
Bei einer akuten Thrombose greifen Ärzte auf blutgerinnungshemmende Mittel wie Heparin zurück. Eventuell muss ein Kardiologe den Verschluss operativ entfernen oder das verengte Gefäß künstlich erweitern. Bei stark geschädigten Gefäßen setzt er auch eine Prothese ein, die der Fachmann auch Stent nennt. Oder er überbrückt mit einer Bypassoperation das geschädigte Gefäß.
In den letzten Jahren gerieten Flugreisen in Verruf, das Thromboserisiko zu erhöhen. Zum einen sitzt man vor allem in der preisgünstigen Economy-Klasse beengt. Zum anderen fördern trockene Luft und ein niedriger Luftdruck im Flieger den Verlust von Flüssigkeit. Das Blut verdickt sich. Deshalb raten Ärzte wie Professor Dr. Rüdiger Scharf, Direktor des Instituts für Hämostaseologie und Transfusionsmedizin der Uniklinik Düsseldorf, viel zu trinken. "Sprudel oder Säfte – etwa eine 0,7-Liter-Flasche pro ein bis eineinhalb Stunden."
Alkohol sowie Schwarztee und Kaffee trocknen dagegen aus. Einfach an Bord durchzuführende Gymnastikübungen, die sich in vielen Bordmagazinen der Fluggesellschaften finden, wirken ebenfalls einer Thrombose entgegen. Die Beine sollte man nicht übereinander schlagen. Ein Gangplatz oder ein Sitz am Notausgang verschafft mehr Bewegungsfreiheit.
Für gesunde Flugreisende reicht dies in der Regel. Anders sieht es für Diabetiker aus. Sie sollten ihren Arzt fragen, ob er es für notwendig hält, den Wirkstoff Heparin zu spritzen, der wie bereits erwähnt das Blut verdünnt. "Wir wollen aber auf keinen Fall propagieren, dass Patienten sich selbst Heparin besorgen", so Scharf. Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass die Spritze nach hinten losgeht. In einigen Fällen lassen Immunreaktionen Blutplättchen verklumpen, was zu Gefäßverschlüssen im ganzen Körper führen kann. "Wir würden damit rechnen müssen, dass wir bei zwei Prozent der Patienten eine Thrombose erst provozieren", warnt Scharf. Deshalb rät er bei einer Heparintherapie, am Zielort der Reise die Zahl der Blutplättchen bestimmen zu lassen. Sinken sie unter einen bestimmten Wert, muss ein Arzt eingreifen.
Die Oldies im Schrank lassen
Gegen diese Thrombosen eignen sich auch Kompressionsstrümpfe. Doch hier warnt Scharf davor, auf die Hilfe eines Fachmanns zu verzichten. "Nicht professionell angepasste Kompressionsstrümpfe können mehr schaden als nutzen. Etwa wenn Bündchen in der Kniekehle drücken oder wenn es die ausgeleierten Oldies aus dem Schrank sind." Viele Apotheken passen Kompressionsstrümpfe an und helfen nicht nur Diabetikern bei der Wahl des richtigen Modells.