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28.07.2022
Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland sind zu dick. Die Corona-Pandemie hat dieses Problem noch verschärft. Mittlerweile ist bekannt, dass viele Betroffene eine genetische Veranlagung für Übergewicht haben. In diesem Fall kann ein Medikament helfen, das seit kurzem auch ab einem Alter von zwölf Jahren zugelassen ist.
Vor 2020 war in Deutschland jedes siebte Kind fettleibig – eine Tendenz, die seit Beginn der Corona-Pandemie weiter zugenommen hat. Ursache dafür ist neben Bewegungsmangel und einem Überangebot an kalorienreicher Nahrung bei einigen Kindern und Jugendlichen eine genetische Veranlagung: „Wir entdecken immer wieder neue Gene und Genvarianten, die das Körpergewicht unter den gegebenen Lebensbedingungen beeinflussen“, sagt Wabitsch. Bei etwa jedem fünften Kind mit starkem Übergewicht liege eine Gen-Variante im Erbgut vor, der für eine Fehlfunktion der Hunger- oder Sättigungsregulation im Gehirn verantwortlich sei. „Diese jungen Betroffenen entwickeln schon im Vorschulalter Adipositas“, sagt Wabitsch.
Medikament sorgt für Sättigungsgefühl
Seit kurzem ist für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren auch das Medikament Liraglutid, das bereits bei Erwachsenen zur Dauertherapie des Typ-2-Diabetes und Adipositas eingesetzt wird, zur Behandlung zugelassen. „Dieses Medikament ahmt die sättigende Wirkung des Darmhormons GLP-1 nach und wirkt gut in Kombination mit einer Lebensstilanpassung, also mehr Bewegung und einer Ernährungsumstellung“, so der Experte. „Die jungen Patientinnen und Patienten empfinden bei dieser kombinierten Therapie zum ersten Mal Sättigung statt Dauerhunger – ein völlig neues Lebensgefühl.“ Das noch neue Wissen über die genetischen Ursachen der Adipositas und auch die Wirkung neuer Medikamente trage dazu bei, Betroffene und ihre Familien psychisch zu entlasten.
„Wir müssen die Erkrankung Adipositas in der Gesellschaft, aber auch im medizinischen System entstigmatisieren“, betont Wabitsch. Dazu könne auch das neue Disease-Management-Programm Adipositas beitragen, das derzeit im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erarbeitet werde. Es gebe bereits Überlegungen, nach dessen Zulassung auch ein eigenes strukturiertes Behandlungsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Adipositas zu konzipieren. Dadurch wird Adipositas als Krankheit anerkannt sowie Kindern und Jugendlichen eine Behandlung nach Evidenz-basierten Leitlinien ermöglicht. Außerdem setzen sich die Expertinnen und Experten der Fachgesellschaft dafür ein, dass medikamentöse Adipositastherapien künftig nach Indikationsprüfung von den Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erstattet werden.