Diabetes und Depression: Wenn der Zucker auf das Gemüt schlägt

Menschen mit Diabetes erkranken mit höherer Wahrscheinlichkeit an Depressionen.

Zwischen der Zuckerkrankheit und Depressionen besteht ein Zusammenhang.
Anhaltende Traurigkeit, das Gefühl von Leere und Antriebslosigkeit, Schlafstörungen: All das können Symptome einer Depression sein.
© NADOFOTOS/iStockphoto

Nicht hinter jeder Stimmungsschwankung verbirgt sich eine Depression. "Wenn man sowohl positive als auch negative Gefühle hat, ist das eher ein Zeichen von psychischer Gesundheit", beschreibt Maier. Doch gerade bei Menschen mit Diabetes nehmen negative Stimmungen manchmal überhand. Neben den alltäglichen Belastungen, die jeder kennt, spiele oft eine Rolle, dass der Blutzucker außer Kontrolle gerät und man keine Erfolge in der Therapie sieht. Auch die Angst vor Folgeerkrankungen wirke belastend. "Selbst in der Partnerschaft kann es zu zusätzlichem Konfliktstoff kommen. Beispielsweise, wenn der Partner das Gefühl hat, man würde sich nicht ausreichend um seinen Diabetes kümmern", so der Experte. Solche Sorgen und Konflikte können zu einer negativen Stimmungslage beitragen.

In der Folge leidet jeder dritte Diabetespatient phasenweise unter depressiven Verstimmungen. Etwa acht Prozent haben eine behandlungsbedürftige Depression.

Depressionen haben viele Gesichter

"Fühlt man sich schlecht, kann das auch Antrieb sein, sich auf die Hinterbeine zu stellen und etwas zu ändern", erklärt Maier. Bei leichten depressiven Verstimmungen hilft es zum Teil schon, sich Freunden anzuvertrauen. In Sachen Diabetes kann ein Gespräch mit dem Arzt Lösungsansätze aufzeigen. Eine Schulung und der Austausch mit Gleichgesinnten unterstützen dabei, die Therapie und damit verbundene Belastungen besser in den Griff zu bekommen. "Man denkt viel nach und sucht nach Lösungen. Bei einer richtigen Depression hingegen verfällt man ins Grübeln und in Gedankenschleifen, ohne zu einem Ergebnis zu kommen", so der Psychologe.

Eine Depression zeigt sich oft durch mehr als eine traurige Stimmung oder Niedergeschlagenheit. Sie hat viele Gesichter und kann sich unterschiedlich äußern. Maier nennt einige Beispiele: "Viele beschreiben eine innere Leere, völlige Antriebslosigkeit und Entscheidungsunfähigkeit. Das Denk- und Konzentrationsvermögen kann nachlassen, sodass gerade ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes mitunter Angst vor einer Demenz haben. Man empfindet keine Freude mehr an Dingen, die früher Spaß gemacht haben. Hinzu kommen Schlafprobleme und bei Menschen jenseits der 60 auch häufig Schmerzen
– man nennt das somatisierte Depression."

Den Teufelskreis durchbrechen

Das Problem bei Diabetes: Es kann sich ein Teufelskreis entwickeln. Eine negative Stimmungslage und Antriebslosigkeit führen häufig dazu, dass sich Betroffene weniger um den Diabetes kümmern und die Therapie vernachlässigen. Bei einer gedrückten Stimmung wächst nicht selten das Bedürfnis nach "Nervennahrung". "Emotionales Essen ist häufig die Ursache für chronisch erhöhte Blutzuckerwerte", erläutert Maier. "Stark erhöhte Blutzuckerwerte im Gehirn haben außerdem eine herabgesetzte Stimmungslage zur Folge. Zugleich drückt auch die Angst vor Folgeerkrankungen aufs Gemüt. All dies wird von Menschen ohne Diabetes häufig unterschätzt."

Wer mit solchen Belastungen zu kämpfen hat, sollte sich nicht scheuen, seinem Hausarzt oder Diabetologen davon zu berichten. Der Teufelskreis aus Depression und erhöhten Blutzuckerwerten lässt sich mit psychotherapeutischer Hilfe durchaus unterbrechen. Es ist möglich, rasch einen Termin für eine "psychotherapeutische Sprechstunde" zu bekommen. Dort erfolgt eine diagnostische Abklärung. Dann werden die nächsten Schritte festgelegt. "Die Krankenkassen oder Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen helfen, einen Psychotherapeuten in der Region zu finden. Bei dringendem Behandlungsbedarf kann eine Akutbehandlung von bis zu zwölf Stunden beantragt werden."

Bei einer mittleren bis schweren Depression gebe es zudem die Möglichkeit einer medikamentösen Behandlung. "Auch spezielle Apps wie zum Beispiel Mind-Doc, moodgym oder spezielle Apps der Krankenkassen können eine Behandlung sinnvoll ergänzen oder die Wartezeit überbrücken. Sie ersetzen jedoch keine Psychotherapie oder Behandlung mit Medikamenten", so der Psychologe.

Katrin Faßnacht-Lee

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