Gesundheit

Die größten Allergie-Mythen im Faktencheck

Peter Erik Felzer  |  01.03.2025 08:37 Uhr

Keine Pollen im Winter, im Alter verursachen Allergien keine Probleme mehr, Impfen erhöht das Allergierisiko: Stimmen solche und ähnliche Gerüchte über Allergien eigentlich?

Junge Frau, putzt sich die Nase.
Pollen fliegen im Frühjahr und Sommer besonders stark, können bei milden Temperaturen aber auch schon im Winter Probleme machen.
© dragana991/iStockphoto

Mythos 1: Nach einer Immuntherapie hat man nie mehr Probleme

“Das wäre schön”, so Professor Dr. Ludger Klimek, der Leiter des Zentrums für Rhinologie und Allergologie in Wiesbaden ist. Bei der von Laien oft “Allergie-Impfung” genannten Behandlung spritzt der Arzt den allergieauslösenden Stoff erst in sehr kleinen, später in höheren Dosierungen. “Den meisten hilft das. Die Symptome nehmen zum Teil deutlich ab”, so der Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen. Dauerhaft verschwinden sie aber nur bei wenigen. Vor allem wirkt die Therapie nur bei den Allergien, gegen die auch geimpft" wird. Andere beeinflusst sie nicht.

Mythos 2: Ältere Menschen bekommen keine Allergien mehr

“Das ist absolut falsch”, urteilt Klimek. Besonders im Blick: Ältere Menschen mit einem guten Immunsystem. Eigentlich ein Vorteil. Dieses kann aber wie im Fall einer Allergie auch überreagieren. Das bestätigt die Statistik “Die Zahl der Allergien bei Menschen über 65 Jahren hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen.” Alter schützt also nicht vor Heuschnupfen & Co. Der Grund dafür könnte in veränderten Umwelteinflüssen und einem heutzutage auch im Alter aktiveren Immunsystem liegen.

Mythos 3: Pollen fliegen nur im Frühjahr und Sommer

“Die wichtigsten Auslöser von Heuschnupfen fliegen zwar in der warmen Jahreszeit”, erklärt Klimek. “Durch den Klimawandel haben wir aber inzwischen fast das ganze Jahr über Pollensaison.” Besonders betroffen: Klimatisch milde Regionen wie das Rhein-Main-Gebiet. Hier fliegen manchmal schon zu Weihnachten, spätestens aber zu Jahresbeginn erste Allergieauslöser durch die Luft. Das endet oft erst Ende November. Neben dem Klimawandel liegt das auch an eingeschleppten Pflanzenarten. Hierzu zählt etwa das Beifußblättrige Traubenkraut, besser bekannt unter “Ambrosia”.

Mythos 4: Allergie und Intoleranz sind dasselbe 

“Viele Patienten schmeißen das in einen Topf”, berichtet Klimek aus seiner langjährigen Erfahrung. Das liege daran, dass Allergien und Intoleranzen oft zu ähnlichen Beschwerden führen. Letztere hießen deswegen früher auch Pseudoallergien. “Der Mechanismus ist aber ein völlig anderer”, weiß der Experte. Während bei einer Allergie das Immunsystem falsch reagiert, fühlt es sich bei einer Intoleranz schlichtweg überfordert. “Deswegen sieht die Behandlung auch anders aus. Interessanterweise helfen manche Allergiemedikamente aber bei einer Intoleranz.” Diese kommen dann aber nicht in derselben Weise zum Einsatz.

Mythos 5: Allergien sind erblich bedingt

“Dieser Mythos ist durchaus richtig”, bestätigt der Allergologe. Leidet ein Elternteil unter einer Allergie, dann steigt im Vergleich zu Eltern ohne Allergie die Wahrscheinlichkeit beim Nachwuchs um ungefähr 50 Prozent, und um 75 Prozent, falls Mutter und Vater Allergiker sind. “Es handelt sich aber um einen Mythos, dass die Kinder automatisch die gleiche Allergie wie die Eltern bekommen”, ergänzt Klimek. Mutter Heuschnupfen, Vater Heuschnupfen heißt also nicht automatisch Kind Heuschnupfen. Es kann auch zum Beispiel unter einer Hausstauballergie leiden.

Mythos 6: Eine Hausstauballergie hat mit mangelnder Sauberkeit zu tun

“Das ist absolut falsch”, lautet das eindeutige Expertenurteil. Am häufigsten verursachen Hausstaubmilben diese Allergie. Auch andere Auslöser wie Pilzsporen oder Tierhaare kommen infrage. Diese lassen sich aber selbst in einem penibel geputzten Haushalt nicht vermeiden. Sauberkeit beeinflusst das Auftreten dieser Allergieform nicht. Anders sieht es bei der Heftigkeit der Attacken aus. Wer den Hausstaub konsequent beseitigt, kann deren Ausmaß lindern. Klimek: “Sauberkeit verhindert keine Hausstauballergie. Aber wenn ich regelmäßig putze, kann ich mir das Leben trotz Allergie ein wenig leichter machen.”

Mythos 7: Antiallergika machen müde und schlapp

“Dieser Mythos stammt aus einer Zeit von vor zwanzig Jahren. Damals gab es noch viele ältere Allergiepräparate, die wirklich müde gemacht haben”, blickt Klimek zurück. “Heute gibt es Medikamente, vor allem solche, die man in die Nase sprüht, die überhaupt nicht mehr müde machen.” Das gilt auch für die Anwendung in Tablettenform. Auch dann wirken die neueren Mittel viel spezifischer und machen deswegen viel weniger müde als ältere Präparate. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, nimmt seine Tabletten am besten abends vor dem Schlafengehen.

Mythos 8: Impfen erhöht das Risiko für Allergien

“Das ist absolut falsch! Es gibt dafür keinerlei Hinweise. Im Gegenteil”, urteilt Klimek. Das zeigen mehrere Studien, etwa aus Israel und Italien. Dort wurde untersucht, wie sich bei jungen Soldaten Reihenimpfungen auswirken, etwa solche gegen Tetanus. Das Ergebnis: Bei ihnen traten in den folgenden Jahren sogar weniger Allergien auf als statistisch erwartet.

Mythos 9: Einmal Allergiker, immer Allergiker

“Dies ist ein Mythos, der aber nicht ganz falsch ist”, bestätigt der Allergologe. Bei einer Allergie handelt es sich um eine chronische Erkrankung. Sie lässt sich oft erfolgreich behandeln. Ohne eine Therapie nehmen bei Heuschnupfen & Co die Beschwerden mit der Zeit zu – und auch deren Stärke. “Es ist aber möglich, etwa durch die bereits angesprochene ›Allergie-Impfung‹, die Krankheit zum Teil wieder loszuwerden.” In seltenen Fällen verschwindet eine Allergie auch von allein. Das Immunsystem korrigiert dann wieder seinen Fehler, den es einmal gemacht hat. Das kann vor allem dann geschehen, wenn sich der Stoffwechsel umstellt, zum Beispiel in der Pubertät oder in den Wechseljahren.

Mythos 10: Nur rezeptpflichtige Medikamente helfen

“Auch das ist absolut falsch”, so Klimeks Einschätzung zum letzten Mythos. “In den vergangenen Jahren sind sogar einige sehr wirksame Medikamente, die es vorher nur auf ärztliche Verordnung gab, aus der Rezeptpflicht entlassen worden.” Klimek empfiehlt, sich dazu individuell von der Apothekerin oder dem Apotheker beraten zu lassen. Hier spielt es zum Beispiel eine Rolle, welche Allergie genau vorliegt und welche Beschwerden auftreten. “Dann lässt sich für jeden Patienten ein geeignetes rezeptfrei erhältliches Arzneimittel finden.”

 

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