Ist das Immunsystem damit beschäftigt, einen grippalen Infekt abzuwehren, dreht der Stoffwechsel auf und schüttet Stresshormone wie Adrenalin aus – gerade wenn Fieber mit im Spiel ist. Das treibt den Blutzucker hoch. Der Körper braucht dann deutlich mehr Insulin als sonst, um den Zucker im Zaum zu halten. Denkbar ist aber auch der umgekehrte Fall, vor allem wenn der Infekt mit Durchfall einhergeht. Dann kann der Blutzucker sinken, weil mit dem Stuhl Kohlenhydrate verloren gehen.
Beide Situationen können neben den unangenehmen, aber meist harmlosen Krankheitssymptomen schwerwiegende Diabetesprobleme nach sich ziehen. Ist der Blutzucker deutlich erhöht, reichern sich mitunter sogenannte Ketonkörper im Blut an und führen zu einer Übersäuerung. Ärzte nennen das Ketoazidose. Hierbei gehen dem Körper zusätzlich Flüssigkeit und Mineralstoffe verloren. Diese Komplikation ist lebensgefährlich. Ebenso verhält es sich mit stark erniedrigten Zuckerwerten, der Hypoglykämie. Daher ist es bei einem Infekt besonders wichtig, den Blutzucker häufiger als sonst zu kontrollieren. Fachleute empfehlen, dies etwa alle drei Stunden zu wiederholen.
Die Insulintherapie anpassen
Insulinpflichtigen Diabetikern fällt das theoretisch relativ leicht, denn sie haben Blutzuckerteststreifen zu Hause und können ihre Insulindosis auf die gemessenen Werte einstellen. In der Praxis ist das für erfahrene Patienten anspruchsvoll, aber möglich. Insulin-Neulinge stellt es jedoch nicht selten vor Probleme – gerade wenn sie ein Mischinsulin verwenden. Am besten setzen sie sich in dieser Situation mit ihrem Diabetologen in Verbindung und besprechen, wie die Dosis anzupassen ist.
Steigt der Blutzucker trotz veränderter Insulindosis über 250 Milligramm pro Deziliter, müssen Typ-1-Diabetiker die Ketonkörper kontrollieren, um einer Übersäuerung rechtzeitig gegenzusteuern. Das funktioniert zum Beispiel mit Hilfe eines Urintests, bei dem sich die Testfelder je nach Ketonkonzentration verfärben. Für den Fall einer Ketoazidose gibt es beim Diabetologen Pläne mit Verhaltensregeln. Am besten legen sich Diabetiker ein solches Merkblatt zu Hause bereit.
Vorsicht auch bei Medikamenten
Typ-2-Diabetiker, die mit Tabletten behandelt werden, laufen nicht so schnell Gefahr, eine Ketoazidose zu bekommen. Trotzdem ist es für sie sinnvoll, die Blutzuckerwerte bei einem Infekt im Auge zu behalten. Normalerweise bekommt diese Patientengruppe keine Blutzuckerteststreifen auf Kassenkosten verordnet. Bei akuten Erkrankungen, die zu einer instabilen Stoffwechsellage führen, gelten jedoch Ausnahmen.
Sind die Werte zu hoch, dürfen Typ-2-Diabetiker ihre Tabletten keinesfalls einfach absetzen. Sind die Werte bei Appetitlosigkeit, Erbrechen oder Durchfall eher zu niedrig, ist besonders bei solchen Präparaten, die eine Unterzuckerung auslösen können, eine Rücksprache mit dem Arzt angeraten. Dazu gehören Sulfonylharnstoffe wie Glibenclamid und verwandte Wirkstoffe wie die Glinide, zum Beispiel Nateglinid.
Auch andere Wirkstoffe können bei Infekten Probleme verursachen. Am sichersten ist es dann, den Arzt anzusprechen, wie die Dosis der Diabetesmedikamente anzupassen ist. Bei schwereren Erkrankungen wie einer Lungenentzündung kann es nötig werden, die Behandlung bis zur Genesung auf Insulin umzustellen. Damit lassen sich Blutzuckerschwankungen besser ausgleichen als mit Tabletten.
Apotheker Rüdiger Freund