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18.11.2021
„Wir wissen heute, dass Frauen eine deutlich niedrigere Schmerzschwelle und auch eine geringere Schmerztoleranz haben als Männer. Schmerz wird deshalb von Frauen intensiver erlebt. Zudem zeigen sie eine intensivere Immunantwort und Entzündungsreaktionen“, erklärte Werz am vergangenen Sonntag bei der Zentralen Fortbildung der Landesapothekerkammer Hessen. Das ist vermutlich die Erklärung, warum die weibliche Bevölkerung im Durchschnitt häufiger Schmerzmittel einnimmt: 85 Prozent Anwender von Coxiben, die schmerzlindernd und entzündungshemmend wirken und z.B. bei Rheuma zum Einsatz kommen, seien weiblichen Geschlechts, nannte der Apotheker ein Beispiel. Frauen scheinen auch für verschiedenste Schmerzsyndrome empfänglicher zu sein. So kommen Migräne, Spannungskopfschmerzen, Reizdarm oder rheumatoide Arthritis bei Frauen häufiger vor als bei Männern.
Eine mögliche Ursache für die geschlechtsspezifischen Unterschiede sieht Werz in der anders gearteten Verarbeitung von Schmerzen in Gehirn. Während bei Frauen eher Areale der linken Amygdala aktiv werden, also Areale, die dem limbischen System und damit Emotionen zugeordnet werden, findet bei Männern die Schmerzverarbeitung eher in der rechten Amygdala statt, also Regionen, in denen analytische Prozesse umgesetzt werden. Darüber hinaus seien auch die Sexualhormone an der unterschiedlich empfundenen Schmerzwahrnehmung beteiligt: Während das weibliche Geschlechtshormon Estradiol die Schmerzwahrnehmung und Entzündungsprozesse im Körper erhöht, bewirkt das männliche Geschlechtshormon Testosteron genau das Gegenteil, informierte Werz.
Schmerzmittel wirken bei Frauen anders
Auch Medikamente gegen Schmerzen wirken bei Frauen anders als bei Männern: „Morphin wirkt bei Frauen stärker schmerzstillend“, erklärt Werz und stellte Studien vor, nach denen Männer eine bis zu 50 Prozent höhere Morphin-Dosis brauchen, um einen vergleichbaren schmerzhemmenden Effekt zu erfahren. Allerdings zeigten Frauen auch häufiger Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen. Sie würden überdies schneller abhängig und hätten bei einem Entzug mehr Symptome.
Ein weiteres Beispiel für geschlechtsspezifische Wirkunterschiede ist die Acetylsalicylsäure (ASS): Während ASS 100 mg bei Männern das Herzinfarkt-Risiko senkt, ist das bei Frauen nicht der Fall. Umgekehrt verhält sich die Sachlage beim Schlaganfall: ASS reduziert das Schlaganfall-Risiko bei Frauen, nicht aber bei Männern. Eine schlüssige Erklärung für dieses Phänomen gebe es bislang noch nicht, informierte der Referent.