Wut, Trauer, Freude, Furcht, Ekel oder überrascht sein sind Gefühle, die kaum jemandem fremd sind. Die Fähigkeit, Gefühle zu empfinden und zu äußern, gibt Menschen die Möglichkeit, sinnvoll auf ihre Umwelt zu reagieren. Eine plötzlich auftretende Gefahr löst etwa ein Gemisch aus Überraschung und Furcht aus, sodass man die Gefahrenquelle umgehend richtig bewertet und passend reagiert, im Zweifel durch Flucht. Gefühle können Menschen auch verbinden.
Gefühle sind Nervensache
In Sachen Gefühle geht nichts ohne das Nervensystem. Im Gehirn, im Netzwerk unzähliger Nervenzellen, sind gute und schlechte Erfahrungen gespeichert. Wir nutzen sie, wenn wir eine Situation – mal mehr, mal weniger bewusst – beurteilen. Sieht etwa ein Mensch, der als kleines Kind von einem Hund gebissen oder bedroht wurde, schon von Ferne einen Hund, wird er in Erinnerung an das früher Erlebte möglicherweise wieder starke Furcht empfinden und versuchen, dem Hund auszuweichen. Das muss aber nicht zwingend so sein oder bleiben. Denn gute Erfahrungen können schlechte überdecken. Ein anderes Beispiel ist der Eindruck, den Gerüche auf uns machen. Hat etwa das Gehirn die festliche Stimmung der weihnachtlichen Bescherung zusammen mit dem Duft von Tannennadeln und Weihnachtsplätzchen fest abgespeichert, kann allein der Tannen- und Gebäckduft angenehme Erinnerungen und die damit verbundenen Gefühle auslösen.
Um Gefühle wachzurufen und Gefühlsäußerungen hervorzubringen, ein Lächeln etwa, müssen im Gehirn viele verschiedene, gut miteinander vernetzte "Fachabteilungen" in Aktion treten. Sie gehören größtenteils zum sogenannten Limbischen System. Mit einer einzelnen "Abteilung" sind im Gehirn bestimmte Gruppen von Nervenzellen gemeint, die zusammengehören und -arbeiten wie die Mitarbeiter in einer einzelnen Firmenabteilung. Neurobiologen sprechen auch von Kerngebieten oder in der Großhirnrinde von Arealen.
Zum Limbischen System gehören unter anderem Abteilungen wie der sogenannte Hippocampus oder der Mandelkern. Der Hippocampus genannte Hirnbereich wertet eingehende Informationen nach ihrer Bedeutung für das Individuum aus. Er ist für das Einspeichern und Abrufen von Gedächtnisinhalten wichtig, beispielsweise um das aggressive Verhalten eines Hundes richtig einzuordnen. Der Mandelkern steuert die zugehörige emotionale Empfindung und passende Reaktionen. Für Letzteres sind Verbindungen des Limbischen Systems zu Hirnbereichen wichtig, die körperliche Gefühlsäußerungen hervorrufen, wie etwa die Stresshormon-Freisetzung, Schwitzen oder Veränderungen der Herzschlagrate. Eine übergeordnete Kontrolle über das Gefühlsleben üben besonders im Stirnbereich liegende Teile der Großhirnrinde aus.
Der Spiegel im Gehirn
Das Gehirn soll Handlungen und Empfindungen anderer Individuen regelrecht spiegeln können. Zuerst festgestellt wurde dies bei Affen. Beobachteten sie einen Menschen oder andere Affen beim Ergreifen einer Erdnuss, treten bei ihnen teils die gleichen Nervenzellen in Aktion, als wenn sie selbst zugreifen würden. Viele Forscher gehen davon aus, dass Ähnliches auch für komplexe Gefühle gilt.
Sieht also ein Mensch andere trauern, sollen bei ihm die gleichen für Trauer zuständigen Hirnbereiche aktiv werden wie bei den Trauernden. So erklären Forscher, wie ein Gefühl überspringen kann, wie man die Gefühlslage seines Gegenübers nachempfindet, sich in ihn hineinversetzt. Allerdings scheint es Kritikern zufolge nicht so zu sein, dass allein wenige spezielle Nervenzellen, sogenannte Spiegelneurone, dafür ausreichen.
Botenstoffe beeinflussen die Gefühle
Praktischen Nutzen könnte die Erkenntnis, dass Bewegungsmuster anderer sich im Gehirn eines Beobachters widerspiegeln, Schlaganfallpatienten bringen. Man hofft, dass sie eingeschränkte Bewegungsabläufe leichter wieder erlernen, wenn sie diese zunächst bei anderen verfolgen.
Wichtig für Gefühlsreaktionen sind nicht nur die Nervenzellen an sich. Auch Hormone spielen eine Rolle, und besonders Botenstoffe, die zur Signalübermittlung an andere Nervenzellen dienen. Für eine positive Gefühlslage sind die Botenstoffe Serotonin und Dopamin besonders bedeutsam. Beide werden auch als "Glückshormone" bezeichnet. Störungen bei diesen Botenstoffen haben einen deutlichen Anteil an der Entstehung psychischer Erkrankungen wie etwa Depressionen. Und so zielen viele gegen diese Leiden gerichtete Medikamente darauf ab, Störungen der Aktivität von Dopamin und Serotonin auszugleichen.
Dr. Frank Schäfer