Hoher Zucker schlecht fürs Hirn

Hohe Blutzuckerwerte den "Grauen Zellen" schaden und das Demenz-Risiko steigern. Wie es dazu kommt und wie man das Risiko senken kann, lesen Sie hier.

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Dem Gehirn setzt Diabetes auf unterschiedliche Weise zu. So schädigen überhöhte Blutzuckerwerte auf Dauer die Blutgefäße des Gehirns. Professor Dr. Andreas Fallgatter, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Tübingen, zu den Folgen: "Durch geschädigte Blutgefäße können neben großen Schlaganfällen auch viele kleine Durchblutungsstörungen auftreten. Diese können sich in typischen Symptomen einer Demenz äußern, zum Beispiel in der Verminderung der Merkfähigkeit oder des Kurzzeitgedächtnisses."

Der Blutzucker sollte also gut eingestellt sein. Kommen dabei blutzuckersenkende Tabletten oder Insulin zum Einsatz, kann aber auch das zu Problemen für die Hirnleistung führen. Zumindest, wenn bei falscher Arzneianwendung schwere Unterzuckerungen entstehen und es dem Gehirn an Energie fehlt. Schon drei solcher Ereignisse, das zeigte eine aktuelle US-amerikanische Studie, verdoppeln das Demenz‑Risiko. Allerdings waren dabei die Unterzuckerungen so schwerwiegend, dass sie zu einer Klinikeinweisung führten.

Viel Zucker, aber kein Weg in die Zellen

Energiemangel kann im Gehirn auch ohne Unterzucker herrschen. Damit die grauen Zellen arbeiten können, brauchen sie genug Energienachschub in Form des Zuckers Glukose. Doch an diesem Treibstoff mangelt es ihnen bei Diabetes oft. Und das hat mit dem Hormon Insulin und seiner Wirkung oder vielmehr Nichtwirkung zu tun. Dr. Florian Metzger, Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Tübingen, erklärt: "Die unzureichende Glukose-Versorgung von Körperzellen bei Typ-2-Diabetes ist hauptsächlich eine Folge der Insulinresistenz. Dabei sind die Insulinspiegel im Körper und damit auch im Gehirn zwar erhöht, aber das Insulin schafft es nicht mehr, den Zucker in die Zellen zu schleusen." Die Hirnzellen "hungern" also, obwohl sich die Nahrung direkt vor ihnen befindet.

Doch damit nicht genug, so Metzger: "Wegen des höheren Insulinspiegels können auch Giftstoffe wie das Eiweiß beta-Amyloid im Gehirn nicht abgebaut werden." Mittlerweile weiß man in etwa, warum das so ist. Fallgatter hebt dabei die Rolle eines "Schneidewerkzeugs" im Gehirn hervor, das sich Insulin abbauendes Enzym nennt (IDE = insulin degrading enzyme). "Dieses Enzym kann verschiedene Substanzen abbauen, darunter Insulin und beta-Amyloid. Ist nun im Gehirn, wie bei Typ-2-Diabetes, viel Insulin vorhanden, wird das meiste IDE dafür gebraucht. Es bleibt nur wenig übrig, um das schäd liche beta-Amyloid abzubauen. Weil IDE aber der einzige Abbauweg für beta-Amyloid ist, sammelt sich so viel davon an, dass es zusammenklumpt und die für eine Alzheimer-Erkrankung typischen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn bildet."

Um gegenzusteuern, halten es beide Experten für wichtig, die Insulinkonzentration im Blut und damit auch im Gehirn auf ein normales Maß abzusenken. Metzger weist darauf hin, dass es aus diesem Grund Bestrebungen gibt, Diabetiker zur Demenz-Vorbeugung gezielt mit bestimmten Diabetes-Medikamenten zu behandeln. Es geht dabei um Wirkstoffe, die den Blutzucker senken, ohne die Insulinfreisetzung zu erhöhen. "Allerdings", schränkt Fallgatter ein, "ist man heute trotz intensiver Forschungsarbeiten noch weit von einem breiten Einsatz dieser Medikamente zum Zweck der Demenz-Prävention und -Therapie entfernt."

Den Geist fordern und körperlich aktiv bleiben

Aber schon allein eine gute Blutzuckereinstellung ist für die Hirngesundheit hilfreich, vorausgesetzt, man vermeidet schwere Unterzuckerungen. Außerdem gibt es Allgemeinmaßnahmen, von denen man weiß, dass sie Demenzleiden hinauszögern. Dazu gehört, seinen Geist vielfältig zu fordern. Genauso wichtig aber ist Bewegung. Sie verbessert nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit, sondern auch die geistige. Bewegung bringt gerade für Diabetiker viele Pluspunkte: Körperzellen nehmen wieder besser Zucker auf. Es muss also weniger des Hormons aus der Bauchspeicheldrüse freigesetzt werden, die dann nicht so stark gefordert wird. Und eine sinkende Insulinproduktion bremst die Bildung von Hirnablagerungen. Ein mehrfacher Nutzen, den sich Diabetiker nicht entgehen lassen sollten.

Dr. Frank Schäfer

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