07.12.2016
Vor dem Kaiserschnitt endete eine Geburt für bis zu sechs Prozent der Kinder und Frauen in Europa tödlich. Heute ermöglicht es die moderne Medizin, dass auch Frauen mit sehr schmalem Becken relativ gefahrlos entbinden können. Damit entfalle den Forschern zufolge auch der sogenannte Selektionsdruck hin zu einem breiteren Becken: „Eine Frau mit einem schmalen Becken, und damit auch erhöhter Wahrscheinlichkeit von Geburtsproblemen, vererbt diese Merkmale an ihre Töchter weiter", erklärt der Studienautor Philipp Mitteröcker von der Unversität Wien. In einem mathematischen Modell, das die Forscher entwickelt und im Journal PNAS veröffentlicht haben, zeige sich, dass die Anzahl an Frauen mit zu schmalem Becken relativ zur Größe des Fötus tatsächlich zunimmt. Auf Grundlage ihres Modells prognostizieren die Wissenschaftler, dass sich dieses „Becken-Kopf-Missverhältnis“ wegen der Zunahme an Kaiserschnitten in den vergangenen Jahrzehnten in Zukunft um zehn bis 20 Prozent vergrößern dürfte.
Grund für das Missverhältnis ist den Forschern zufolge eine Art „Fitness-Dilemma“. „Aus evolutionärer Sicht ist ein schmales Becken von Vorteil, vor allem für unsere Fortbewegung. Auf der anderen Seite erhöhen sich die Überlebenschancen eines Babys, je größer es bei der Geburt ist. Hier kommen sich also der Selektionsdruck hin zu schmaleren Becken und jener hin zu größeren Babys sozusagen in die Quere", erklärt Mitteröcker. Das bedeutet: Je schmaler das Becken und je größer das Kind, umso besser – aber eben nur bis zu dem Punkt, an dem das Kind nicht mehr durchpasst. Dann werde es abrupt fatal, so der Experte. In früheren Zeiten starben in diesem Fall Mutter und Kind und konnten ihre Erbanlagen nicht weitergeben, was zu einer Begrenzung der Kopfgröße und Beckenenge führte. Heute senkt ein Kaiserschnitt die Gefahren für Mutter und Kind. Damit werde die bisherige Grenze aufgehoben, was sich auf die Evolution auswirken und das Becken-Kopf-Verhältnis verändern wird, so die Forscher.
HH/NK