Was bedeutet der Begriff "Resilienz" in diesem Zusammenhang?
Kulzer: Das ist allgemein die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne Schaden zu überstehen. In diesem Zusammenhang ist es die Fähigkeit der Eltern und Kinder, trotz Diabetes psychisch gesund zu bleiben. Dazu tragen positive Erfahrungen und Selbstfürsorge, aber auch Optimismus bei. Ich rate Eltern, ihre Kinder nicht in Watte zu packen. Die Kinder sollen möglichst normal aufwachsen. Der Diabetes soll nicht immer im Vordergrund stehen.
Welche Lebensphase von Kindern und Jugendlichen ist besonders herausfordernd?
Kulzer: Die Pubertät ist naturgemäß eine herausfordernde Phase. Der Jugendliche will selbstständig werden. Nicht nur im Hinblick auf den Diabetes verlangt das von den Eltern viel Vertrauen. Hier die Balance zu finden, ist oft ein Drahtseilakt. Botschaften wie "du musst vorausschauend handeln" kommen meist schlecht an. Eltern dürfen aber trotzdem den Draht zu ihren Kindern nicht verlieren. Und auch nicht den Überblick. Das betrifft besonders den Umgang mit den neuen AID-Technologien. Diese Systeme erleichtern den Alltag sehr. Allerdings sind Insulinpumpen oder AID-Systeme auffällig und können stigmatisieren. Der Umgang damit verlangt viel Selbstbewusstsein.
Sind Eltern von betroffenen Kindern ebenfalls häufiger von einer Depression betroffen?
Kulzer: Besonders die Mütter sind durch die tägliche Therapie und die Sorge um die Kinder belastet. Das kostet viel Kraft und führt zu einem erhöhten Depressionsrisiko.
Kann eine Diabetes-Diagnose auch positive psychische Effekte auslösen?
Kulzer: Ja! Wenn es Kindern mithilfe der Eltern gelingt, die Herausforderungen des Diabetes zu meistern, kann das eine Kraftquelle fürs gesamte weitere Leben sein. Sie können auch stolz auf sich sein, denn sich das umfangreiche Wissen zu Themen wie Ernährung und Sport anzueignen, wird einem nicht geschenkt. Menschen mit Diabetes sind darin aber Experten.
Vielen Dank für das Gespräch!