Gibt es noch eine andere Strategie, die im Umgang mit der aktuellen Situation helfen kann?
Dr. Grüttert: „Ganz wichtig ist in der momentanen Krise der Austausch mit anderen Menschen, um mit seinen Ängsten und Gedanken nicht allein zu bleiben. Ohnmacht und Hilflosigkeit sind Gefühle, die wir Menschen nur schwer aushalten können. Hier hilft es sehr, sich zu vernetzen: Freunde, Familie und Arbeitskollegen können vielleicht gute Tipps geben, wie sie selbst mit ihren Ängsten umgehen. Auch persönliche Hinweise zu konkreten Spenden- und Hilfsaufrufen sind sinnvoll: Wer sich engagiert, etwa durch das Packen eines Pakets mit Sachspenden, hilft den Menschen in der Not und reduziert gleichzeitig auch das eigene Gefühl der Ohnmacht ein Stück weit. Man darf darüber hinaus auch nicht vergessen, für sich selbst gut zu sorgen: Kontakte zu pflegen, zum Sport zu gehen oder einem Hobby nachzugehen, das uns Freude macht. Das sollte man sich nicht verbieten.“
Was raten Sie Eltern, die unsicher sind, wie sie mit ihren Kindern über die Geschehnisse in der Ukraine sprechen können?
Dr. Grüttert: „Hier empfehle ich, zusammen kindgerechte Nachrichten zu schauen, zum Beispiel „logo!“ vom Zweiten Deutschen Fernsehen. Hier werden die aktuellen Geschehnisse sachlich und einfühlsam aufbereitet. Auf katastrophale Bilder und Videos, die sich gerade in sozialen Medien verbreiten und für Kinder sehr verstörend wirken, wird dabei verzichtet. Wichtig ist auch, die Kinder mit diesen Nachrichten nicht allein zu lassen und im Anschluss Fragen und Sorgen offen zu besprechen.
Man sollte Kinder also nicht komplett von diesen Nachrichten fernhalten?
Dr. Grüttert: „Nein, das ist ab einem gewissen Alter auch gar nicht möglich. Kinder und Jugendliche bekommen ihre Informationen ja auch auf dem Schulhof, von Freunden oder direkt aus dem Internet, das lässt sich nicht gänzlich kontrollieren. Hier ist es auch wichtig, die Sorgen und Ängste der Kinder ernst zu nehmen, aktiv zuzuhören und nachzufragen: Was hast du genau gehört? Woher hast du diese Information? Es kursieren schließlich auch viele Halbwahrheiten oder es werden Informationen miteinander vermischt. Hier können Eltern gezielt eingreifen, die Sachlage richtigstellen und Sicherheit vermitteln. Für Kinder kann zum Beispiel die Information hilfreich sein, dass wir in einem starken Bündnis leben, das uns Schutz bietet, und wir im Rahmen unserer Möglichkeiten alles tun, um den Menschen in der Ukraine zu helfen und ihr Leid zu lindern.“
Vielen Dank für das Gespräch!