02.05.2019
Beim Lipödem handelt es sich um eine krankhafte Fettverteilungsstörung, die unter anderem dazu führt, dass die Beine im Vergleich zum restlichen Körper überproportional dick sind. Betroffen sind fast ausschließlich Frauen. Schätzungen zufolge haben etwa 10 Prozent der erwachsenen Frauen ein Lipödem. Obwohl die Erkrankung somit relativ häufig ist, wird sie immer noch relativ selten erkannt. In einem Übersichtsartikel im Fachjournal „PRS Global Open“ sprechen die Autoren Dr. Donald Buck und Dr. Karen Herbst von einer häufigen Erkrankung, die häufig mit falschen Vorstellungen verbunden ist.
So werde das Lipödem oft fälschlicherweise mit Übergewicht gleichgesetzt. Obwohl ein Teil der Frauen auch adipös ist, handelt es sich beim Lipödem um eine eigene Diagnose, betonen die beiden Chirurgen. Bis jetzt ist noch mehr oder weniger unklar, warum und wie ein Lipödem entsteht. Es wird eine Beteiligung der Sexualhormone und der Gene vermutet, da die Erkrankung häufig in Phasen von hormoneller Veränderung wie Pubertät oder Schwangerschaft erstmals auftritt und in manchen Familien häufiger vorkommt als in anderen.
Das Lipödem wird anhand der charakteristischen klinischen Symptome diagnostiziert: Es ist gekennzeichnet durch vermehrtes Fettgewebe, das symmetrisch an beiden Beinen vorkommt, wobei typischerweise die Füße ausgespart sind. Bei einem Drittel der Frauen sind in späteren Stadien auch die Arme betroffen. Das Fettgewebe fühlt sich beim Abtasten körnig an und ist ausgesprochen empfindlich gegenüber Berührung oder Druck. Schmerzen können durch Berühren oder auch spontan im Gewebe auftreten. Zudem entwickeln sich leicht blaue Flecken und die Patientinnen neigen zu sichtbar erweiterte Kapillaren der Haut.
Operation ist oft die einzige Lösung
Die Erkrankung ist nicht nur schmerzhaft, sondern auch psychisch sehr belastend. Tun können betroffene Frauen selbst nicht viel, da das Fett weder durch vermehrten Sport noch kalorienreduzierte Diäten abnimmt. Eine ursächliche Therapie gibt es beim Lipödem nicht, lediglich die Symptome wie Schmerzen und Wassereinlagerungen können behandelt werden. Als Maßnahmen kommen Kompressionstherapie, manuelle Lymphdrainage, Hautpflege und Bewegungstherapie zum Einsatz. Durch diese Maßnahmen lassen sich zwar die Symptome lindern, das Fettgewebe in den Extremitäten bleibt jedoch erhalten.
Wenn trotz einer konsequent durchgeführten konservativen Therapie weiterhin Beschwerden bestehen, kann eine Liposuktion angezeigt sein. Dabei werden der Patientin unter Narkose mehrere Liter Fett abgesaugt. Meist sind mehrere Sitzungen nötig. Dabei ist ein spezielles, besonders schonendes Verfahren anzuwenden, um die Lymphgefäße zu schützen. Die Ergebnisse der Liposuktion sind der Leitlinie zufolge gut: Spontanschmerz, Druckschmerz, Ödem und Hämatomneigung verbessern sich signifikant – über Jahre hinweg. Die Krankenkassen übernahmen die Kosten der teuren Eingriffe wegen mangelnder Evidenz bislang aber nicht regelhaft, sondern nur in Einzelfällen. Seit einem Urteil aus dem Jahr 2018 war auch dies nicht mehr möglich.
Bundesgesundheitsminister Spahn wollte dies ändern und forderte Anfang des Jahres, dass die Liposuktion Kassenleistung werden sollte. Mit einem Ergänzungsantrag zum Terminservice- und Versorgungsgesetz wollte er sein Ministerium dazu ermächtigen, Behandlungs- oder Untersuchungsmethoden unabhängig vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufzunehmen. Dieser Antrag wurde zwar nicht in das Gesetz mit aufgenommen, der G-BA machte aber aufgrund des Drucks des Ministers im Februar den Vorschlag, dass Patientinnen mit Lipödem im Stadium 3 ab Januar 2020 zunächst befristet bis 2024 zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung behandelt werden können.
ch/PZ/NK