Migräne: Ein altes Leiden vieler Künstler

Viele berühmte Maler, Dichter und Denker litten an Migräne. Von den modernen Erkenntnissen und Entwicklungen der Kopfschmerztherapie konnten sie noch nicht profitieren. Aber vielleicht hätte sich dann auch ihre Kunst anders entfaltet.

Alte Schwarz-Weiß-Zeichnung (Portrait) von Richard Wagner
Starke Kopfschmerzen begleiteten auch das Leben des Komponisten Richard Wagner.
© nickolae - Fotolia

"Tut mir leid, ich habe gerade Migräne": Lange Zeit galt das nur als bequeme Ausrede. Heute wissen wir: Die Migräne ist eine ernstzunehmende Krankheit, an der über acht Millionen Menschen in Deutschland leiden. Sie ist außerdem kein Phänomen der Neuzeit, sondern ein Leiden, das schon die alten Ägypter und Griechen plagte.

Der Begriff Migräne leitet sich denn auch aus dem Griechischen ab, nämlich von dem Wort Hemikrania, was so viel wie halbköpfig bedeutet. Tatsächlich ist für die Migräne ein einseitig auftretender starker Kopfschmerz typisch, der bis zu 72 Stunden anhalten kann. Oft kündigt sich die Migräneattacke durch Vorzeichen an: bleierne Müdigkeit, Heißhunger auf Süßes, Stimmungsschwankungen, Durchfall oder Frösteln. Bei manchen Patienten geht dem Kopfschmerz eine sogenannte "Aura" voraus, die eine halbe bis eine Stunde andauern kann: Dabei treten Sehstörungen wie Lichtblitze, Zickzacklinien und Flimmern auf. In manchen Fällen kommt es zu Erbrechen, Kreislauf- und sogar Sprachstörungen. Viele Migränepatienten sind während einer Attacke nicht arbeitsfähig und erholen sich am besten, wenn sie in einem abgedunkelten Zimmer einige Stunden ruhen oder schlafen.

Böse Geister und schwarze Galle

Bei der Behandlung der Kopfschmerzen gingen unsere Vorfahren nicht gerade sanft vor. So sollen die Menschen der Steinzeit Löcher in die Schädeldecke Migränegeplagter gebohrt haben, um die im Schädel vermuteten Dämonen und bösen Geister zu vertreiben. Die alten Ägypter rieben den Kopf Betroffener mit Fischköpfen ein, und die Araber steckten Knoblauch unter die Kopfhaut. Im Mittelalter wurden Blutegel an die Schläfen gesetzt. Oder man traktierte die Patienten mit Aderlässen, weil man glaubte, dass die Dämpfe einer "schwarzen Galle", deren Existenz im Körper man damals vermutete, in den Kopf aufstiegen und dort das Blut vergifteten.

Die moderne Migränetherapie begann erst mit William H. Thompson, der 1884 einen Extrakt aus dem Mutterkorn-Pilz herstellte, der sich als wirksam gegen Migräne erwies. Im Jahr 1920 isolierte der Biochemiker Arthur Stoll daraus den Wirkstoff Ergotamin, der lange Zeit eine wichtige Rolle in der Therapie der Migräne spielte. Darauf aufbauend konnten in den 1980er-Jahren die modernen Triptane entwickelt werden, die eine hohe Wirksamkeit bei den verschiedensten Formen der Migräne haben. Sie verengen die bei einem Migräneanfall erweiterten Blutgefäße im Gehirn, wirken entzündungshemmend und verhindern, dass sich die Schmerzreize über die Hirnrinde ausbreiten.

Freud hat keine Sprechstunde

Die Migräne war ein Leiden vieler berühmter Persönlichkeiten. Wenn es beispielsweise bei dem Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud wieder einmal so weit war, durften seine sechs Kinder keinen Lärm machen, und die Patientengespräche wurden abgesagt. Freud hatte eine klassische Migräne mit Aura, die er "scheußlich", aber auch "faszinierend" fand. Ganz im Sinne seiner Theorie war sie für ihn Ausdruck unbewältigter, innerer Konflikte. Seine Therapieversuche, unter anderem mit Kokain, waren allerdings nicht erfolgreich.

Starke Kopfschmerzen begleiteten auch das Leben der Komponisten Richard Wagner und Gustav Mahler. Wagner nannte sie die "Hauptplage" seines Lebens. Professor Dr. Hartmut Göbel, Chefarzt und Kopfschmerzexperte an der Schmerzklinik Kiel, ist im Rahmen einer Studie sogar zu dem Schluss gekommen, dass sich Wagners Migräne-Erfahrungen in seinem Werk, speziell in der Oper Siegfried, spiegeln. Dafür sprächen im ersten Akt das Anschwellen der Musik, der sich steigernde pochende Rhythmus und die klagenden Worte des Sängers: "Zwangvolle Plage! Müh ohne Zweck!". Außerdem sollen in den flackernden und flirrenden Musikpassagen die neurobiologischen Begleitsymptome der Aura vertont worden sein.

Auch Maler wie Giorgio de Chirico, Vincent van Gogh und Salvadore Dalí kämpften mit dem Migräneschmerz. Neurologen vermuten, dass die Zickzack-Elemente auf den Bildern des italienischen Künstlers de Chirico dessen Aura-Erscheinungen wiedergeben. Dalí malte eines seiner berühmtesten Bilder mit zerlaufenden Uhren als Motiv während einer Migräneattacke: "Obwohl meine Kopfschmerzen so stark geworden waren, dass sie mich sehr quälten, bereitete ich gierig meine Palette vor und machte mich an die Arbeit." Inwieweit die Migräne die Künstler angetrieben oder inspiriert hat, ist allerdings umstritten. Fest steht: Sie war oft nicht das einzige Leiden der Kreativen.

Claudia Nöllke

Arzneimittel gegen Migräne

Bei einer akuten Migräneattacke empfiehlt die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft zur Selbstbehandlung mit rezeptfreien Arzneien aus der Apotheke besonders folgende Wirkstoffe:

  • Acetylsalicylsäure (ASS)
  • Ibuprofen
  • Tabletten mit einer fixen Kombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein
  • Paracetamol
  • Phenazon
  • Naratriptan

Zur Dosierung und Wirkungsweise der Arzneistoffe, zu deren Wechsel- und Nebenwirkungen sowie zu entsprechenden Präparaten und ihrer Einnahme beraten Apotheker gerne. Informationen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft zur Therapie von Migräneattacken finden sich in der Linkliste zu diesem Heft.

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