Und wenn der Entschluss steht?
Thurm: Menschen mit Insulintherapie sollten sich vor dem Start einer Sportart immer fragen: Wann bin ich das letzte Mal geschult worden und wie fit bin ich in Sachen Therapieanpassung. Wer offene Fragen hat, informiert sich am besten vorab und spricht auch mit seinem Diabetesteam, weil jede Therapie ja sehr individuell ist. Außerdem empfehle ich allen, die länger nicht sportlich aktiv waren, dass sie sich vom Arzt durchchecken lassen. Dazu gehört ein Belastungs-EKG sowie alle Untersuchungen, die im Rahmen des DMP üblich sind. So kann man sichergehen, dass keine Folge- oder Begleiterkrankungen vorliegen, die einer sportlichen Aktivität im Wege stehen.
Gibt es beim Wintersport Besonderheiten?
Thurm: Ja, denn im Winter fordert die Kälte nochmal mehr Energie. Der zu erwartende Blutzuckerabfall wird deutlicher ausfallen als bei angenehmen 25 Grad Celsius. Menschen mit Insulin behandeltem Diabetes sollten daher immer mit erhöhten Werten in die körperliche Aktivität gehen. Etwa mit 150 bis 180 mg/dl und steigender Glukosetendenz. Das lässt sich bei modernen Geräten zur kontinuierlichen Glukosemessung gut ablesen. Mit diesen fällt es auch deutlich leichter, regelmäßig den Glukosewert zu checken. Ich empfehle dies, bei anstrengenden Sportarten wie Skilanglauf, Skitouren oder ambitioniertem Abfahrtslauf etwa alle 20 Minuten zu tun.
Gilt das auch für Menschen mit Typ-2-Diabetes, die oft noch klassisch den Blutzucker messen?
Thurm: Wie oft jemand messen muss, kann man nicht pauschal sagen, da es ja auch unterschiedliche Arten der Insulintherapie gibt. Bei einer intensivierten Insulintherapie empfehle ich allerdings auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes die oben genannten Regeln. Übrigens haben diese ja auch Anspruch auf ein kontinuierliches Messgerät.
Muss man sonst noch etwas beachten?
Thurm: Man sollte sein Insulin und das Messequipment unbedingt vor der Kälte schützen. Am besten alles körpernah in der Innentasche der Winterjacke tragen. Wenn Insulin einfriert, nimmt es Schaden, ohne dass man das danach erkennen kann. Und auch die Messgeräte eignen sich nicht für Minustemperaturen. Ich empfehle, den Blutzucker immer im Warmen zu bestimmen. Auch die Sensoren eines kontinuierlichen Messgerätes bedeckt man besser gut. Außerdem gilt es immer, flüssige Kohlenhydrate dabei zu haben. Ich empfehle, dass man wie alle anderen Sportler auch, regelmäßig Kohlenhydrate zuführt – etwa 10 bis 20 Gramm alle 20 bis 30 Minuten. Das geht beispielsweise mit gezuckertem Tee. Für eine drohende Unterzuckerung immer Not-BE in Form von flüssigen Traubenzuckerpräparaten mitnehmen.
Und nach dem Sport?
Thurm: Die meisten schweren Unterzuckerungen ereignen sich tatsächlich in der Nacht nach der Aktivität. Während des Sports braucht der Körper mehr Glukose. Die wird teilweise aus den Glukosespeichern von Muskeln und Leber zur Verfügung gestellt. Diese sind am Ende eines Sporttages entleert. Um eine Unterzuckerung zu vermeiden, unbedingt die Basalrate oder das Verzögerungsinsulin zur Nacht sowie eventuell das Mahlzeiteninsulin reduzieren und mit etwas erhöhten Werten ins Bett gehen. Der Auffülleffekt kann sich übrigens vier bis 24 Stunden hinziehen,
sodass man auch am nächsten Tag in der Regel weniger Insulin braucht. Und noch ein wichtiger Tipp: Trinken Sie beim Après-Ski keinen Alkohol. Dieser erhöht das Risiko einer gefährlichen Unterzuckerung noch.
Vielen Dank für das Gespräch!