aponet.de
|
31.05.2024
Herr Wohlleben, wie haben Sie Ihr Lebensthema Bäume und Wald gefunden?
Peter Wohlleben: Ich wollte schon als Kind Naturschützer werden, es gab aber kein spezielles Erlebnis, bei dem es ›klick‹ gemacht hat. Dass es in Richtung Wald und Bäume ging, war eher Zufall. Nach dem Abitur hatte ich schon einen Studienplatz für Biologie und dann in der Zeitung gelesen, dass die Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz für einen Studiengang Bewerberinnen und Bewerber sucht. Dort habe ich mich beworben, wurde angenommen und bin so Förster geworden.
Was bietet naturnaher Wald – auch für uns Menschen?
Peter Wohlleben: Ohne Wald geht es nicht. So ist er sehr wichtig für Wasserkreisläufe. Studien zeigen, dass Wälder kein Wasser verbrauchen, sie halten es in der Landschaft, kurbeln Wasserkreisläufe an und sorgen so auch für Kühlung. Im Vergleich zu einer Stadt kann Wald die Luft bis zu 15 Grad Celsius herunterkühlen. Ohne Wald würden wir es gar nicht aushalten. Naturnahe Wälder, deren Böden nicht durch das Befahren mit Maschinen verdichtet wurden, mildern außerdem Hochwasserereignisse. Diese Böden sind wie ein Schwamm – tropft Wasser oben drauf, saugen sie es auf, bis es unten heraustropft. Das heißt, es läuft ins Grundwasser statt in Bäche und Flüsse. Im Sommer sorgen Wälder dafür, dass Quellen weiter sprudeln und Bäche nicht austrocknen. Sie gleichen also Extreme aus.
Wirkt Wald auch auf Kreislauf und Psyche?
Peter Wohlleben: Der Blutdruck sinkt zum Beispiel, das habe ich selbst schon mit Fernsehmoderatorin Bettina Böttinger in einer Sendung ausprobiert. Beteiligt sind daran Phytonzide, also Substanzen, die Bäume ausgasen, um sich etwa gegenseitig vor Schädlingen zu warnen. Auch die Farbe Grün wirkt. Untersuchungen zeigen, dass man, wenn man im Krankenhaus liegt und auf Bäume schaut, weniger Schmerzmittel braucht. Das ist halt unser natürliches Ökosystem, und wir reagieren darauf besser als auf das Kunstökosystem, das wir für unseren Alltag gebastelt haben.
Wie halten Sie sich fit? Spielt Wald dabei auch eine Rolle?
Peter Wohlleben: Ich wohne mit meiner Frau in einem alten Forsthaus. Es steht auf einem Grundstück, auf dem 80 alte Bäume wachsen und das an zwei Seiten direkt an Wald grenzt. Das haben wir jeden Tag, mit der positiven Wirkung auf die psychische Fitness. Ansonsten fahre ich – wann immer es passt – mit dem Fahrrad. Ich bin niemand, der ins Fitnessstudios geht, das ist nicht so meins. Ich verknüpfe Bewegung lieber mit einem Ziel und dem Aufenthalt in freier Natur.
Wie bringen Sie in der Waldakademie Ihres Sohnes Menschen naturnahe Wälder näher?
Peter Wohlleben: Es gibt Seminare für Waldbesitzende, wie man Wald ökologischer bewirtschaftet, oder Angebote für die Ausbildung zur Waldführerin oder zum Waldführer. Und wir machen viele Erlebnisangebote wie eine Nacht unter freiem Himmel oder zum geheimen Leben der Bäume, um mehr über die spannenden Fähigkeiten der Pflanzen zu erfahren. Wir versuchen, Empathie für die Umwelt zu erzeugen. Natur, Umwelt- und Klimaschutz funktionieren unserer Meinung nach am besten darüber und nicht über trockene Verhaltensregeln, die oft mit dem Zusatz ›Wir müssen uns alle einschränken‹ daherkommen. Was teils stimmt, aber man erhält eben auch viel zurück. Darauf konzentrieren wir uns.
Wie wird sich der Wald in Zeiten des Klimawandels behaupten?
Peter Wohlleben: Über die Hälfte der Wälder in Deutschland sind naturferne Plantagen mit nicht heimischen Baumarten wie etwa Fichten. Die werden in den nächsten zehn Jahren überwiegend absterben. Heimische Laubwald-Ökosysteme speziell mit Buchen und Eichen sind dagegen, wenn sie nicht durch maschinelle Befahrungen oder starkes Auflichten ramponiert wurden, sehr gut durch die trockenheißen Sommer gekommen. Diese intakten Ökosysteme haben sogar Ausbreitungstendenzen.
Eine letzte Frage: Haben Sie eine Lieblingsbaumart und einen Lieblingsbaum?
Peter Wohlleben: Grundsätzlich mag ich Buchen sehr gerne, weil die besonders sozial zueinander sind. Und ich habe hier eine Buche, die jetzt auch einseitig abstirbt, die schon irre viel mitgemacht hat und über 200 Jahre alt ist. Die steht direkt hinter unserer Grundstücksgrenze. Ich besuche sie häufiger, sie ist mein Lieblingsbaum.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Dr. Frank Schäfer.