28.08.2015
Als Eisbär Knut im Zoologischen Garten Berlin am 19. März 2011 infolge eines epileptischen Anfalls in den Wassergraben fiel und ertrank, waren sich Experten schnell einig, dass dieser Anfall durch eine Hirnentzündung ausgelöst worden war. Allerdings konnten die untersuchenden Ärzte keine Krankheitserreger als Ursache finden. Jetzt haben Forscher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin herausgefunden, dass Knut an einer Autoimmunerkrankung des Gehirns litt, genauer eine Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis, die nun erstmals im Tierreich nachgewiesen wurde.
Auch bei Menschen ist diese Form der Hirnentzündung erst seit einigen Jahren bekannt. Davor habe man die genaue Ursache von Hirnentzündungen, die nicht durch Viren, Bakterien oder Parasiten ausgelöst worden waren, oft nicht klären können, so die Forscher. „Seit 2010 wissen wir, dass die meisten Patienten mit einer Hirnentzündung ohne Erregernachweiß an Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis erkrankt sind“, sagt Privatdozent Dr. Harald Prüß, Wissenschaftler am DZNE und Facharzt an der Klinik für Neurologie der Charité. Denn mittlerweile gebe es Testverfahren, um die dafür charakteristischen Antikörper nachzuweisen. Diese fanden die Forscher nun auch in Gewebeproben des Eisbären, wie sie im Fachjournal Scientific Reports berichten.
Die Wissenschaftler glauben, dass fehlgeleitete Immunreaktionen möglicherweise häufiger an Hirnerkrankungen beteiligt sind als bisher vermutet. „Zu den möglichen Symptomen der Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis zählen epileptische Anfälle, Halluzinationen und Demenz“, erläutert Prüß. Es könnte also sein, dass Ärzte bei Menschen mit Psychosen oder Gedächtnisstörungen autoimmunvermittelte Entzündungen übersehen. „Diese Patienten werden nicht routinemäßig auf die zugehörigen Antikörper untersucht“, sagt der Neurowissenschaftler. Dies könnte jedoch sinnvoll sein, denn beim Menschen lasse sich diese Erkrankung relativ gut mit Medikamenten behandeln, so Prüß.
HH