Katrin Faßnacht-Lee
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01.11.2022
Herr Dr. Maier, wie können Menschen es schaffen, ihr Verhalten dauerhaft zu ändern?
Maier: Der allererste Schritt ist die Gewissheit, dass man wirklich etwas ändern möchte. Oft haben sich Menschen an ihre Lebensgewohnheiten so stark gewöhnt, dass sie gar nichts ändern wollen. Erst wenn auch Nachteile oder gesundheitliche Beschwerden hinzukommen, geraten viele ins Grübeln. Die zweite Überlegung: Traue ich mir das zu? Wenn Menschen beide Punkte mit Nein beantworten, dann werden sie wahrscheinlich gar nicht starten.
Und wenn der Entschluss steht?
Maier: Zu Anfang ist es wichtig, dass der Mensch eine Vision hat, zum Beispiel: "Ich würde gern wieder so sein wie vor drei Jahren. Da habe ich noch in bestimmte Kleider reingepasst oder konnte noch einen bestimmte Sport ohne größere Beschwerden durchführen." Am besten klingt diese Vision verlockend und nicht nach einer Pflicht. Fragen Sie sich: Was wäre, wenn Sie morgen früh aufwachen und Sie hätten merklich abgenommen? Was würden Sie dann spüren, wie wären die Reaktionen von Menschen aus Ihrer Umgebung? Diese "Sehnsucht" kann eine große Antriebskraft entfalten.
Wo findet man Unterstützung, wenn man es nicht allein schafft, abzunehmen?
Maier: Wenn das Essverhalten schon in Richtung Essstörung geht, was bei starkem Übergewicht häufiger vorkommt, kann man sich therapeutische Unterstützung suchen. Sprechen Sie den Hausarzt ganz offen an, wenn Sie das Gefühl haben, dass Essen zu einer Sucht geworden ist. In diesem Fall wäre eine ambulante oder auch stationäre Therapie möglich. Wenn sich das Verhalten aber ganz normal im Alltag eingeschlichen hat, können auch Diabetesschulungen in der Diabetespraxis helfen. Dort bekommen Sie viele Tipps und Unterstützung. Außerdem bietet fast jede Krankenkasse einen Kurs zur Gewichtsabnahme an – meist übernimmt die Kasse die Kosten. Zum Teil gibt es auch Online-Angebote mit Coaching. Am besten informieren Sie sich direkt bei Ihrer Krankenkasse.
Haben Sie zum Schluss noch ein paar konkrete Tipps, was gegen Frustessen hilft?
Maier: Das ist eine Trainingssache. Das Verlangen kommt ja wie eine Welle. Eine Möglichkeit besteht darin, sich ein bisschen Zeit zu verschaffen. Man kann von 100 rückwärts zählen, einen Artikel lesen oder die Zähne putzen. In dieser Zeit ebbt das Verlangen oft schon ab. Wenn nicht, wäre es gut, wenn man zwei, drei Alternativen kennt: Statt Schokolade beispielsweise einen Schokotee trinken, der köstlich duftet. Oder einen Espresso mit ein paar Schokostreuseln. Beides liefert deutlich weniger Kalorien als die Schokolade selbst.