30.09.2015
Mitgefühl für andere Menschen spüren wir nur dann, wenn unser eigenes Schmerzempfinden nicht betäubt ist – beispielsweise durch Schmerzmittel. Denn Einfühlungsvermögen wird einer neuen Studie zufolge am gleichen Ort im Gehirn ausgelöst, wie das eigene Schmerzgefühl.
Spürten die Studienteilnehmer weniger Schmerz, konnten sie sich nicht mehr so gut in die Lage anderer Personen mit Schmerzen hineinversetzen. Das zeigte ein Team internationaler Forscher, die für die Studie einen methodischen Kniff angewandt hatten: die sogenannte Placebo-Analgesie. Dabei dachten die Studienteilnehmer, sie würden Schmerztabletten nehmen, tatsächlich bekamen sie aber Scheinmedikamente ohne Wirkstoff. Das Placebo führte dazu, dass die Teilnehmer tatsächlich weniger Schmerzen spürten als die Vergleichsgruppe, die nichts bekam. Wie die Forscher im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences berichten, reduzierte die Einnahme der Placebos die Nervenaktivität in zwei Hirnregionen. Das dämpfte einerseits den Schmerz, andererseits gehören diese Hirnbereiche auch zum sogenannten Empathie-Netzwerk, das das Einfühlungsvermögen beeinflusst.
Die Wissenschaftler vermuten, dass dieser Effekt durch körpereigene Opiate ausgelöst wird. In einem Folgeexperiment bekamen die Studienteilnehmer nach dem Placebo-Schmerzmittel ein Medikament, das die Opiatrezeptoren blockiert und so die Schmerzempfindung wieder erhöht. Das Einfühlungsvermögen normalisierte sich daraufhin wieder. Das Mitgefühl für andere Menschen hängt demnach offenbar mit Hirnregionen und Nervenbotenstoffen zusammen, die bei selbst erlebten Schmerzen aktiviert werden. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Empathie sehr stark und unmittelbar in unseren eigenen Erfahrungen – bis hin zu deren körperlichen und neuronalen Grundlagen – begründet sein kann“, sagt Studienleiter Claus Lamm von der Universität Wien.
HH/NK