PZ/NAS
|
13.09.2024
Der Wirkstoff Liraglutid könnte der erste Vertreter der sogenannten Abnehmspritzen für übergewichtige Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren werden. Grundlage sind Daten einer Phase III-Studie mit 82 stark übergewichtigen Kindern, deren Ergebnisse im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurden: 56 von ihnen bekamen über 56 Wochen einmal täglich eine Injektion mit 3,0 mg Liraglutid (oder der maximal verträglichen Dosis), die Vergleichsgruppe mit 26 Kindern eine tägliche Placebo-Injektion. Alle Kinder erhielten auch die üblichen Lebensstil-Interventionen zum Abnehmen.
Am Ende des Behandlungszeitraums hatten die Kinder in der Liraglutid-Gruppe ihren Body-Mass-Index (BMI) im Schnitt um 5,8 Prozentpunkte verbessert, während die Placebogruppe sogar eine Zunahme um 1,6 Prozent verzeichnete.
Welche Nebenwirkungen treten auf?
Nebenwirkungen traten in beiden Gruppen sehr häufig und fast gleich häufig auf (89 versus 88 Prozent). In der Liraglutid-Gruppe traten mehr Nebenwirkungen auf, die den Magen-Darm-Trakt betreffen, zum Beispiel Übelkeit, Durchfall, Erbrechen und Bauchschmerzen(80 versus 54 Prozent). Die Rate schwerer Nebenwirkungen lag bei 12 Prozent unter Liraglutid und 8 Prozent unter Placebo. Dabei handelte es sich um Erbrechen bei zwei Kindern und eine Darmentzündung. Jedes zehnte Kind in der Liraglutid-Gruppe brach die Studie frühzeitig aufgrund der Nebenwirkungen ab. Langzeitauswirkungen zum Beispiel auf das Wachstum und die Pubertät konnten aufgrund der Studiendauer von einem Jahr noch nicht bestimmt werden.
Nur für stark übergewichtige Kinder
„Das Medikament führt bekannterweise zu einer Reduktion des Hungergefühls und hilft den Patienten, die empfohlenen Ernährungsänderungen im Alltag besser umzusetzen“, erklärt dazu Professor Dr. Martin Wabitsch gegenüber dem Science Media Center. Damit liege erstmals eine wirksame Therapie von starkem Übergewicht bei Kindern vor – der Effekt sei ausgeprägt und höher als erwartet. Der Experte sieht den Einsatz vor allem bei Kindern mit extremem Übergewicht: „Dies ist eine kleine Gruppe an Patienten, die durch eine starke biologische Anlage für Adipositas charakterisiert ist. Diese manifestiert sich unter anderem durch einen Defekt der zentralen Regulation von Hunger und Sättigung. Genau hier setzt Liraglutid an.“
In Ulm laufe derzeit auch eine Studie mit dem Wirkstoff Semaglutid bei sechs- bis zwölfjährigen Kindern, das sogar nur einmal wöchentlich injiziert werden muss. Hier ist Wabitsch der Studienleiter. Die Ergebnisse sollen kommendes Jahr vorliegen. Die Hoffnung ist, dass eine frühe Behandlung von Übergewicht bei Kindern bei ihnen auch langfristig zu einem Normalgewicht führt.
Quelle: DOI 10.1056/NEJMoa2407379