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Thema der Woche: Geheimnisvolle Schilddrüse

19.08.2015

Ständig müde, antriebslos und unkonzentriert? Oder unruhig, zittrig und schlaflos? Vielleicht liegt es an einem kleinen, unauffälligen Organ, das sich unterhalb des Kehlkopfes befindet – der Schilddrüse.

Bei einer Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse können vielfältige Beschwerden auftreten.
Die Schilddrüse sitzt unterhalb des Kehlkopfes und ist für viele lebenswichtige Funktionen im Körper verantwortlich.
© Iurii Sokolov - Fotolia

Klein und unscheinbar wirkt die Schilddrüse in gesundem Zustand, doch man sollte sie nicht unterschätzen. Schon im Mutterleib geht kaum etwas ohne die beiden Schilddrüsen-Hormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Tetrajodthyronin). Schilddrüsen-Hormone beeinflussen viele Körperfunktionen und wirken sich stark auf das Wohlbefinden aus. Vereinfacht gesagt wirken sie wie ein „Gaspedal“ für den Stoffwechsel.

Und das ganz unmerklich, solange die Schilddrüse reibungslos arbeitet. Doch es gibt Faktoren, die das Drüsenorgan erheblich stören können, sodass es sich unangenehm bemerkbar macht.

Keine Schilddrüsen-Hormone ohne Jod

Die Schilddrüse benötigt zur Produktion der Hormone T3 und T4 Jod, genauer Jodid. Und so bleibt es nicht folgenlos, wenn es dauerhaft an diesem Spurenelement fehlt, etwa weil die Nahrung zu wenig davon enthält. Die Schilddrüse versucht, gegenzuhalten, indem sie mehr Drüsengewebe bildet, um die Hormonproduktion zu steigern. Das kann soweit führen, dass sich Knoten in der Schilddrüse oder ein sichtbarer Kropf bilden.

Wird trotzdem nicht mehr genug Schilddrüsen-Hormon gebildet, kommt es zur Unterfunktion der Schilddrüse. Sie nimmt sozusagen den Fuß vom Gaspedal und fährt den Stoffwechsel herunter. In der Folge stehen ständige Müdigkeit und Erschöpfung auf der Liste der Beschwerden ganz oben (siehe Infokasten zu Symptomen der Schilddrüsen-Unterfunktion). Viele Betroffene kommen trotzdem lange nicht auf den Gedanken, diese Probleme der Schilddrüse zuzuordnen, denn Müdigkeit oder Erschöpfung können viele Ursachen haben. Im Verdachtsfall zeigen das Abtasten der Schilddrüse, Ultraschallaufnahmen, ein Bluttest und bei Bedarf eine radiologische Untersuchung, ob die Schilddrüse noch normal aussieht und arbeitet.

Eine dauerhaft zu geringe Menge an Schilddrüsen-Hormonen kann bei Frauen dazu beitragen, dass ein Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Schwangere wiederum haben durch eine unzureichende Schilddrüsenfunktion ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten, und es drohen Entwicklungsrückstände des Kindes bis hin zu schweren geistigen oder körperlichen Behinderungen. Solche extremen Fälle kommen hierzulande dank vorbeugender Jodgaben in der Schwangerschaft nur noch selten vor. Zudem hat sich die Jodversorgung in Deutschland nach Angaben des Arbeitskreises Jodmangel insgesamt verbessert, auch wenn sie noch nicht völlig zufriedenstellend ist.

Bei Schwangeren und Stillenden mit ihrem erhöhten Jodbedarf sieht es zum Beispiel nicht immer optimal aus. Nach der Geburt erfolgt ein Routine-Bluttest der Säuglinge auf eine möglicherweise angeborene Schilddrüsen-Unterfunktion, die sich im Bedarfsfall durch die Gabe von Schilddrüsen-Hormon ausgleichen lässt. Das ist grundsätzlich die Therapie der Wahl bei einer behandlungsbedürftigen Schilddrüsen-Unterfunktion. Die Einstellung auf eine solche Hormontherapie, die mitunter etwas Geduld erfordert, muss ein erfahrener Arzt vornehmen.

Bei einer durch Jodmangel bedingten Unterfunktion muss auf eine ausreichende Jodversorgung geachtet werden. Drückt eine vergrößerte Schilddrüse beziehungsweise ein Kropf etwa auf den Kehlkopf, die Luft- oder die Speiseröhre und verursacht dadurch Beschwerden, kann eine Operation oder eine radiologische Behandlung die Drüse verkleinern.

Unterfunktion durch Entzündungen der Schilddrüse

Der Schilddrüse können nicht nur Jodmangel oder angeborene Defekte die Arbeit schwermachen, sondern womöglich auch eine Entzündung. So ist hierzulande ein fehlgeleiteter und zerstörerischer Angriff des Immunsystems auf Schilddrüsengewebe recht häufig die Ursache einer Schilddrüsen-Unterfunktion. Die Autoimmunerkrankung trägt die Fachbezeichnung Hashimoto-Thyreoiditis (Thyreoiditis = Schilddrüsen-Entzündung).

Entzündung und Unterfunktion der Schilddrüse entwickeln sich dabei oft langsam und bleiben zunächst unentdeckt. Es kann vorkommen, dass der Arzt die Immunreaktion gegen die Schilddrüse bei einer Routine-Untersuchungen nur zufällig erkennt – ohne das bereits merkliche Beschwerden aufgetreten sind. Schreitet der Angriff auf die Schilddrüse jedoch fort, führt er letztlich zu einer immer deutlicheren Unterfunktion der Drüse. Eine Hashimoto-Thyreoiditis kann auch die Ursache für eine Schilddrüsen-Unterfunktion bei Schwangeren sein.

Zur Diagnose dienen Ultraschall-Untersuchungen sowie Bluttests auf Schilddrüsen-Hormone und auf gegen die Schilddrüse gerichtete Antikörper. Außerdem ertastet der Arzt, ob die Schilddrüse verhärtet oder vergrößert ist. Die Unterfunktion lässt sich mit Schilddrüsenhormon-Tabletten behandeln. Ob eine Gabe des Spurenelements Selen bei der Hashimoto-Thyreoiditis sinnvoll ist, sollten Patienten mit dem Arzt besprechen. Unkontrollierte Anwendungen empfehlen Experten nicht.

Schilddrüsen-Überfunktion: des Guten zu viel

Im Gegensatz zu einer Unterfunktion läuft bei einer Überfunktion der Stoffwechsel auf Hochtouren. Und das spürt man je nach Ausprägung der Überfunktion deutlich. Die Hände zittern, das Herz rast, man schläft nicht gut – der Infokasten listet weitere Symptome auf. Für eine Schilddrüsen-Überfunktion kann es mehrere Ursachen geben: So tritt sie bisweilen kurzzeitig zu Beginn einer Hashimoto-Thyreoiditis auf, wenn gespeichertes Schilddrüsen-Hormon freigesetzt wird.

Eine andere mögliche Ursache ist die Basedow-Krankheit. Dabei regen bestimmte Antikörper des Abwehrsystems die Schilddrüse zur unkontrollierten Produktion und Freisetzung von Schilddrüsen-Hormonen an. Zur Diagnose prüft der Arzt, ob in einer Blutprobe des Patienten die für das Autoimmunleiden typischen TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) vorliegen. Außerdem sieht sich der Arzt die Schilddrüse, die oft vergrößert ist, mittels Ultraschall an. Die Überfunktion der Schilddrüse erkennt man unter anderem durch Bluttests. Recht markant: In vielen Fällen der Basedow-Krankheit schwellen die Augenlider an, und die Augäpfel treten hervor.

Steht die Diagnose fest, kann man zunächst über etwa ein Jahr hinweg versuchen, die Überfunktion mit Arzneimitteln zu behandeln, die die übermäßige Produktion von Schilddrüsen-Hormon bremsen (Thyreostatika). Arzt und Patient entscheiden, ob ihr Einsatz sinnvoll beziehungsweise gewünscht ist. Bis die Mittel wirken, lassen sich akute Beschwerden der Überfunktion mit Betablockern lindern. Da sich Thyreostatika nicht für den unbegrenzten Einsatz eignen, muss man bei ausbleibendem Erfolg die Therapie wechseln.

Die überaktive Schilddrüse wird dann mit radioaktivem Jod behandelt oder teilweise operativ entfernt. In beiden Fällen tritt eine Unterfunktion ein, gegen die der Arzt Schilddrüsenhormon-Präparate verschreibt. Sich nicht bessernde Augenprobleme werden gesondert behandelt.

Schilddrüsen-Gewebe außer Kontrolle

Gewebe in der Schilddrüse kann sich verändern. Schon angesprochen wurde, dass es sich bei Jodmangel mit der Zeit vergrößert. Mitunter kommt es dabei zu unkontrollierter Aktivität der Drüse, sodass sie bei ausreichender Jodzufuhr möglicherweise zu viel Schilddrüsen-Hormon freisetzt. Überaktives Schilddrüsen-Gewebe "hört" nicht mehr richtig auf Stoppsignale, es arbeitet selbstständig. Solche Vorgänge machen einen guten Teil der Fälle von Schilddrüsen-Überfunktionen aus. Es können umgrenzte Bereiche betroffen sein, sogenannte autonome Areale oder Knoten. Sie reichern bei einer speziellen radiologischen Untersuchung, der Schilddrüsen-Szintigrafie, die dabei verabreichte radioaktive Substanz an. Das wird dann auf einer Abbildung sichtbar gemacht und gelb oder rot dargestellt. Man nennt die betroffenen Bereiche "heiße" Knoten.

Problem: Überaktive, autonome Bereiche bleiben zunächst ohne Beschwerden, da das restliche Drüsengewebe weniger aktiv ist. Das erschwert mitunter eine frühzeitige Diagnose. Auf Schilddrüsen-Erkrankungen – vor allem solche mit einer Überfunktion – sollte man Ärzte ansprechen, wenn eine Röntgenuntersuchung mit jodhaltigen Kontrastmitteln ansteht, um Komplikationen zu vermeiden.

Inaktive, "kalte" Knoten reichern kein Jod an und bilden kein Schilddrüsenhormon. In seltenen Fällen enthalten sie Krebszellen. Die Behandlung bei Schilddrüsenkrebs richtet sich nach Art des Tumors und dessen Ausbreitung. Bei der Operation entfernt der Chirurg die Schilddrüse in Teilen oder ganz.

Eine Behandlung mit radioaktivem Jod soll noch Jod anreichernde Krebszellen treffen. Auch eine Bestrahlung oder im Einzelfall eine Chemotherapie können zum Einsatz kommen. Alle diese Erkrankungen zeigen, dass auch ein so kleines Organ wie die Schilddrüse große gesundheitliche Auswirkungen haben kann. Bei wenig charakteristischen, aber anhaltenden Störungen des Wohlbefindens sollte man also daran denken, es mit zu untersuchen.

Dr. Frank Schäfer

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