27.05.2016
„Bei der Anwendung von Arzneimitteln unterlaufen älteren Patienten vielfältige Fehler“, erklärt Dr. Wolfgang Kircher, niedergelassener Apotheker in München. Oft liegt es daran, dass die Kraft bei Senioren nachlässt, aber auch das Sehen oder die Fingerfertigkeit mit den Jahren nicht mehr so gut funktionieren. Noch schwieriger fällt es Patienten, die zum Beispiel unter Rheuma, Arthrose oder auch Parkinson leiden.
„Viele Arzneiformen müssen erst noch gebrauchsfertig gemacht werden“, erklärt Kircher. In Inhalatoren steckt man zunächst eine Kapsel. Diese sticht man über zwei Druckknöpfe, die Nadeln besitzen, an. Das Arzneimittel wird damit freigesetzt. Besitzen Patienten nicht genügend Kraft, setzt der Inhalator zu wenig von dem Wirkstoff frei. Auch das Einsetzen der Kapsel bereitet vielen älteren Menschen Schwierigkeiten. Hier helfen zum Beispiel Modelle, bei denen man weniger Kraft benötigt und sich die Kapseln leicht aus dem Blister entfernen lassen.
Eine weitere Arzneiform, die Senioren Probleme bereitet, sind Augentropfen. Viele Präparate lassen sich nur mit einem großen Aufwand und viel Feingefühl öffnen. Zudem reicht die Kraft in den Fingerspitzen nicht immer aus, einen Tropfen herauszubekommen. Bei länglichen Fläschchen fällt dies leichter. Kirchers Tipp: Erwärmt man die Tropfen auf Körpertemperatur, indem man das Fläschchen eine Weile mit der Hand umschließt, halbiert sich die notwendiger Tropfkraft. Fehlt es an der Feinmotorik, lässt sich das Medikament mit der richtigen Technik auch im Liegen verabreichen.
Ebenfalls problematisch: Insulin in den Bauch zu injizieren. Dies geschieht mit sogenannten Pens. Man stellt an einem Rädchen die Dosis ein und löst per Knopfdruck die Injektion aus. Die dafür notwendige Handhaltung erfordert Kraft, und nicht jedem Patienten gelingt es, sich damit die notwendige Insulindosis zu verabreichen. Hier mindern etwa dickere Kanülen die notwendig Kraft. Auch von Modell zu Modell unterscheidet sich der Aufwand, wie Kircher in einer eigenen Studie herausgefunden hat. Manche benötigen nur ein Drittel der Kraft wie Produkte von anderen Firmen. Wichtig sei es laut Kircher, dass die Apotheker den behandelnden Arzt auf mögliche Alternativen hinweisen, die älteren Patienten die Anwendung erleichtern.
Bei vielen Flaschen, Gläsern oder auch Tuben fällt vor allem das erste Öffnen schwer. Erstöffnungssicherung nennen Fachleute diese Vorrichtung. Zusätzliche Plastikringe, aber auch Folien zeigen, dass das Arzneimittel unberührt ist. Hier kann der Apotheker, falls es das Präparat erlaubt, dem Patienten in der Apotheke Fläschchen & Co. öffnen. Kunden können den Apotheker einfach darauf ansprechen.
„Es gibt zudem eine Reihe mechanischer Hilfsmittel, die feinmotorisch und sensorisch behinderten Senioren die korrekte Anwendung erleichtern“, weiß Kircher. Spezielle Gummikappen helfen beim Aufschrauben von Arzneigläsern. Tubenaufroller erleichtern das Entleeren von Cremes und Salben. Zangenähnlichen Geräte unterstützen beim „Ausquetschen“ von Augentropfenfläschchen. Und Tablettenteiler sorgen mit einer Haltevorrichtung und einer Metallklinge dafür, das Medikament zu halbieren.
PEF