Eine schlaflose Nacht ist nicht schlimm – aber wann sollte man bei Schlafproblemen zum Arzt gehen?
Schmitz: Das gilt für alle, die mindestens dreimal pro Woche über ein bis drei Monate hinweg nicht gut ein- oder durchschlafen oder viel zu früh morgens aufwachen. Im Gespräch und bei Untersuchungen versucht der Arzt herauszufinden, ob psychische Erkrankungen oder organische Ursachen dahinterstecken. So können etwa Gelenk- oder Rückenbeschwerden den Schlaf rauben. Alkohol- und Drogenprobleme sind mögliche Ursachen, ebenso Atemaussetzer beim Schnarchen. Diese sogenannte Schlafapnoe lässt sich vielfach erst im Schlaflabor feststellen.
Dagegen werden aber nicht gleich Schlafmittel verordnet?
Schmitz: Nein. Bei der Schlafapnoe kann eine Maske, die die Atmung unterstützt, das Mittel der Wahl sein. Und wenn sich keine Ursache finden lässt, wird der Arzt mit dem Patienten zunächst dessen Tagesablauf durchleuchten. Da geht es zum Beispiel darum, abends zu geregelten Zeiten ins Bett zu gehen, sich späte große Menüs zu verkneifen und nicht zu lange vor dem Bildschirm zu sitzen. Menschen, die aufgrund ihrer Depressionen und Angststörungen nicht schlafen, kann oft schon mit einem schwachen Antidepressivum geholfen werden. Das ermüdet und wird dann nach einiger Zeit langsam wieder abgesetzt.
Wann werden Benzodiazepine verordnet?
Schmitz: Diese Schlafmittel erhalten Patienten mit massiven Problemen, deren
Ursache nicht klar ist. Bestimmte zentral dämpfende Mechanismen im Gehirn werden durch Benzodiazepine verstärkt. Das wirkt angst- und krampflösend, entspannt und bahnt dem Schlaf den Weg, ohne ihn zu erzwingen – anders als früher bei den Barbituraten, die heute nur noch gegen epileptische Anfälle verschrieben werden. Benzodiazepine gibt es mit kurzer, mittlerer und langer Wirksamkeit. Je nachdem, wie stark das Mittel jeweils an den Rezeptor im Körper bindet, desto länger spürt man es – bis zu 100 Stunden. Bei kurz wirkenden Arzneien sind es ein bis vier Stunden.
Was verstehen Experten unter Z-Substanzen?
Schmitz: Das sind Medikamente mit Wirkstoffen, deren Namen mit Z beginnen, wie Zopiclon oder Zolpidem. Diese entfalten ihren Effekt über zwei bis fünf Stunden. Dabei regen sie den Schlaf nur an. Man gibt sie gern über wenige Wochen, gegen Ängste wirken sie nicht.
Machen diese Medikamente abhängig?
Schmitz: Das ist bei den Z-Substanzen weniger häufig der Fall als bei den Benzodiazepinen. Außerdem gewöhnt sich der Körper nicht so schnell an diese
Wirkstoffe. Daher ist die Gefahr auch nicht so groß, dass die Dosis erhöht werden muss und der Patient in einen riskanten Kreislauf gerät.
Das heißt, Benzodiazepine fördern eher den Missbrauch?
Schmitz: Richtig, und das kann man schon daran erkennen, dass manche von ihnen, wie etwa Flunitrazepam, unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Selbst die Produkte, die entstehen, wenn unser Stoffwechsel das Präparat verarbeitet, bleiben wirksam. Es liegt nahe, dass man ihren Effekt nicht missen möchte: Wer diese Medikamente nimmt, dessen Angst- und Schlafprobleme sind gelöst. Es scheint so einfach – aber in Wirklichkeit bleiben die Ursachen ungeklärt und die Dosis muss vielfach immer weiter erhöht werden, weil der Körper sich an die Substanz gewöhnt.
Gibt es Alternativen?
Schmitz: Man kann dem Körper das Hormon Melatonin zuführen, von dem er
mehr in der Nacht als am Tag produziert. Dadurch lässt sich etwa nach einem Jetlag die innere Uhr wieder synchronisieren. Bei den Schlafmitteln wären als weitere Möglichkeit etwa bestimmte Psychopharmaka, sogenannte Neuroleptika, in schwacher Dosierung zu nennen, oder einige Antihistaminika. Letztere sind ohne Rezept in Apotheken erhältlich. Bei ihnen wie auch den anderen Schlafmitteln muss man allerdings mit Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Gewichtszunahme oder Herz-Rhythmus-Störungen rechnen. Und sie können ebenfalls abhängig machen. Das Risiko einer Gewöhnung steigt mit Dosis und Dauer der Behandlung.
Wirken auch pflanzliche Mittel?
Schmitz: Ja, eine große Anzahl von Studien hat die schlaffördernde Wirkung von pflanzlichen Stoffen nachgewiesen. Dazu gehören vor allem Baldrian, Hopfen, Passionsblume, Lavendel und Melisse – als Tee oder Extrakt, in Form von Tabletten oder Kapseln, beim Lavendel auch als Öl. Johanniskraut, das erst nach einigen Tagen seine Wirkung entfaltet und zum Beispiel bei Schlafstörungen durch leichte Depressionen eingesetzt wird, kann dafür sorgen, dass andere Medikamente wie die Pille zur Verhütung vom Körper schneller abgebaut werden. Diese Arzneien verlieren dadurch ihren Effekt – eine Wechselwirkung, die man beachten muss.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Natascha Plankermann.