Viele Schmerzpatienten greifen selbstverständlich zu Schmerzmitteln. Doch bei häufigem, dauerhaften Gebrauch solcher Medikamente zur Akutbehandlung tritt mitunter ein Phänomen auf, das die Wissenschaft noch nicht vollständig erklären kann: Bestehende Kopfschmerzen, seien es Migräne- oder Spannungskopfschmerzen, klingen nicht ab. Stattdessen nimmt sogar die Häufigkeit der Schmerzattacken zu. Dahinter stecken vermutlich komplexe Prozesse des Nervensystems, durch die die Schmerzschwelle sinkt. Das heißt, selbst schwache Reize, die normalerweise keine Beschwerden verursachen, lösen Schmerzen aus.
Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft definiert chronische Kopfschmerzen durch den Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln wie folgt:
- Kopfschmerzen an mehr als 15 Tagen pro Monat bei vorbestehendem Kopfschmerzsyndrom
- Über mehr als drei Monate andauernder, regelmäßiger Übergebrauch von einem oder mehreren Medikamenten, die man zur Akutbehandlung oder symptomatischen Therapie von Kopfschmerzen einnimmt
- Einnahme einfacher Schmerzmittel wie Paracetamol, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure (ASS) an mehr als 15 Tagen pro Monat
- Kombinationspräparate, spezielle Migränemedikamente wie Triptane oder Mutterkornalkaloide oder Opioide an mehr als zehn Tagen pro Monat
Jeder Mensch ist anders. Deshalb erlebt nicht jeder Patient, der über Jahre hinweg häufig Schmerzmedikamente einnimmt, dass sich die Kopfschmerz-Symptomatik verschlechtert. Umgekehrt bekommen manche Menschen bereits bei niedrigeren Dosierungen medikamentenbedingte Kopfschmerzen. Studien haben gezeigt, dass sich ein Kopfschmerz durch Medikamenten-Übergebrauch bei Triptanen, Opioiden und Kombinationspräparaten mit Koffein schneller entwickelt.
Ebenfalls wichtig: Nimmt man beispielsweise ein Triptan und zusätzlich ein Schmerzmittel jeweils in der üblichen Dosierung, kann die Kombination aus beiden einen Kopfschmerz durch Schmerzmittel-Übergebrauch fördern.
Zudem erhöht eine Reihe von Faktoren das Risiko dafür, so etwa mehr als zehn Kopfschmerztage pro Monat, andere chronische Schmerzerkrankungen, Stress, Übergewicht, Rauchen, Depressionen oder Angsterkrankungen. Bei Frauen tritt das Problem häufiger auf als bei Männern.
Wie sich ein durch Medikamenten-Übergebrauch verursachter Kopfschmerz anfühlt, hängt von der jeweiligen Vorerkrankung ab, also ob etwa Migräne oder Spannungskopfschmerz vorliegen. Allgemein mehren sich die Kopfschmerztage, und der Schmerz wird stärker. Bei Migränepatienten treten mit der Zeit die für Migräne typischen Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit in den Hintergrund.
Raus aus dem Teufelskreis
Kopfschmerz durch Medikamenten-Übergebrauch lässt sich behandeln. Die aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft empfiehlt ein dreistufiges Vorgehen.
Stufe 1: Einnahmetage reduzieren
Wer unter schmerzmittelbedingtem Kopfschmerz leidet, dem bringt es nichts, die Dosis der Schmerzmedikamente zu steigern. Das Gegenteil trifft zu: Der erste Schritt zur Besserung heißt, weniger Schmerz- beziehungsweise Migränemittel einzunehmen. Lassen Sie sich von Ihrem Arzt oder Apotheker beraten. Im besten Fall vermindert sich die Intensität und Häufigkeit der Kopfschmerzen auf diese Weise bereits. Natürlich werden die Kopfschmerzen nicht gänzlich verschwinden. Vielmehr kann man schon von Erfolg sprechen, wenn sie nur noch episodisch auftreten.
Stufe 2: Vorbeugung
Gerade bei Migräne verringert eine gute Vorbeugung die Kopfschmerztage und somit auch die Einnahmehäufigkeit der Akutmedikamente. Studien haben die vorbeugende Wirksamkeit von Arzneistoffen wie Topiramat, Onabotulinumtoxin A und Amitriptylin gezeigt. Letzteres findet auch Einsatz bei der Vorbeugung gegen Spannungskopfschmerz. Diese rezeptpflichtigen Medikamente muss der Arzt verordnen. Zudem lindern regelmäßige Bewegung an der frischen Luft und Ausdauersport wie Jogging, Schwimmen oder Radfahren sowie Entspannungsverfahren, kognitive Verhaltenstherapie und Biofeedback die Beschwerden.
Stufe 3: Medikamentenpause
In manchen Fällen hilft es, in Absprache mit dem Arzt eine Pause von den entsprechenden Medikamenten einzulegen. Mitunter kann diese Pause beziehungsweise eine Umstellung der Schmerztherapie in einer geeigneten Klinik erfolgen. Oft kommt es in der Medikamentenpause zu Entzugssymptomen, die sich in einer vorübergehenden Verschlechterung der Kopfschmerzen und Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Schlafstörungen bemerkbar machen. In der Regel halten diese zwei bis sieben Tage an. Mittel gegen Übelkeit und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr können während dieser Zeit helfen.
Pharmazeutin Bernadette Stange