Peter Erik Felzer
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18.07.2022
Die Mundgesundheit steht in enger Wechselwirkung mit der Gesundheit des gesamten Körpers. "Und das nicht bloß, weil sich manche Allgemeinerkrankungen auch im Mund zeigen", erklärt Professor Dr. James Deschner in seinem Patientenratgeber "Gesund beginnt im Mund". Eine Parodontitis kann das Risiko für andere Erkrankungen erhöhen. "Das gilt auch für Diabetes", so der Direktor der Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung an der Universitätsmedizin Mainz.
Mehr als nur Zahnfleischbluten
Hinter einer Parodontitis steckt eine Entzündung des Zahnhalteapparates. Sie betrifft nicht nur das Zahnfleisch, sondern das gesamte Gewebe und die Kieferknochen, die den Zähnen Halt geben. Zu den Symptomen zählen zum Beispiel Zahnfleischbluten, Mundtrockenheit, zurückgehendes Zahnfleisch und auch Mundgeruch. Mitunter haben Betroffene das Gefühl, dass die Zähne locker sitzen. Das Beißen auf härtere Lebensmittel wie beispielsweise Äpfel, rohe Karotten oder Nüsse fällt schwer. Doch: "Diabetes und Parodontitis erkennt man häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium", informiert Deschner. "Daher sollte jeder Diabetiker regelmäßig zur Zahnuntersuchung gehen. Und umgekehrt hat schon die eine oder andere Zahnarztpraxis einen Diabetes entdeckt."
Diabetiker, egal ob Typ 1 oder Typ 2, leiden häufiger unter Parodontitis als Menschen, die mit dem Blutzucker keine Probleme haben. Das Risiko liegt zum Teil um ein Mehrfaches höher. Die Parodontitis verläuft zudem schwerer, und Zuckerkranke verlieren mehr Zähne als Menschen ohne Diabetes.
Andockstellen für Insulin blockiert
Das zeigt etwa eine Studie aus Mecklenburg-Vorpommern, bei der Forschende die Mundgesundheit von 3.300 Diabetes-Patienten untersuchten. Deschner: "Bei Typ-2-Diabetikern mit schlecht eingestelltem Blutzucker mussten doppelt so oft Zähne gezogen werden wie bei solchen mit guten Blutzuckerwerten. Bei den Typ-1-Diabetikern lag der Wert sogar noch höher."
Auch krankhafte Veränderungen des Zahnfleischs und der Mundschleimhaut traten deutlich häufiger auf. "Generell reagieren Diabetiker anfälliger auf Infekte, ihre Wunden heilen schlechter. Das wirkt sich leider auch auf Zähne und Zahnfleisch aus." Dass umgekehrt Parodontitis den Verlauf des Diabetes beeinfl usst, wissen Ärzte noch nicht so lange. Inzwischen bestätigen Studien, dass sich die Blutzuckerwerte verschlechtern. Therapien, sei es mit Insulin oder anderen Medikamenten, schlagen nicht so gut an. "Auch Folgeerkrankungen durch den Diabetes, etwa an Niere, Herz-Kreislauf-System oder Augen, treten häufiger auf", berichtet Deschner. Die Erklärung: Die Entzündung bei einer Parodontitis blockiert auf Dauer die Stellen, an denen das Insulin wirkt. In der Folge kann der im Blut kreisende Zucker nicht in Körperzellen aufgenommen und gespeichert werden.
Obwohl der Körper bei Typ-2-Diabetes meist genug Insulin produziert, kann es an den entsprechenden Stellen nicht wirken. Dieses Phänomen nennt man Insulinresistenz. Leider beeinflussen Mund und Zähne längerfrsitig auch die Blutzuckersituation von Nichtdiabetikern. Bei einer Parodontitis steigt ihr Risiko, dass sich ihre Blutzuckerwerte verschlechtern und es später zu einem Diabetes kommt.
Therapie lohnt sich nicht nur für den Mund
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Menschen mit Diabetes profitieren von einer Parodontitis-Therapie. Durch eine erfolgreiche Behandlung können erhöhte Blutzuckerspiegel gesenkt werden. Analysen haben ergeben, dass sich die zahnärztliche Behandlung der Parodontitis bei Typ-2-Diabetikern positiv auf die Stoff wechseleinstellung auswirkt und der Diabetes sich somit besser kontrollieren lässt. Ist der Diabetes gut eingestellt, trägt man kein erhöhtes Risiko und spricht ähnlich gut auf eine Behandlung der Parodontitis an wie Nichtdiabetiker.