Natascha Schleif
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14.04.2025 08:05 Uhr
Die Blutbildung ist ein komplexer Prozess, der im Knochenmark stattfindet und für die Sauerstoffversorgung des Körpers essenziell ist. Eine Anämie (Blutarmut) tritt auf, wenn zu wenig rote Blutkörperchen (Erythrozyten) oder zu wenig Hämoglobin im Blut vorhanden sind.
Erythrozyten transportieren Sauerstoff über das Blut zu den Organen und Geweben, während Hämoglobin – der rote Blutfarbstoff in den Erythrozyten – diesen Sauerstoff bindet und freisetzt.
Ist die Anzahl der Erythrozyten verringert oder das Hämoglobin zu niedrig, kann der Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Dies führt zu Symptomen wie Müdigkeit, Blässe, Schwindel und Konzentrationsproblemen.
Es gibt sechs verschiedene Formen der Anämie, die durch Eisenmangel, Vitamin-B12- oder Folsäuremangel, Blutverlust oder chronische Erkrankungen entstehen können. Manche Formen sind harmlos und vorübergehend, andere können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Schwangere und Personen mit Mangelernährung oder langwierigen Erkrankungen. Weil Anämie keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom verschiedener Störungen ist, ist es wichtig, die genaue Ursache zu ermitteln, um eine gezielte Behandlung einzuleiten.
Symptome einer Anämie
Eine Anämie entwickelt sich oft schleichend und bleibt anfangs unbemerkt. Weil der Körper mit weniger Sauerstoff versorgt wird, können verschiedene Organe und Gewebe nicht mehr optimal arbeiten. Die Symptome hängen von der Schwere der Blutarmut und der Ursache ab.
Typische Symptome:
- Müdigkeit und Erschöpfung, selbst nach ausreichendem Schlaf
- Blasse Haut und Schleimhäute, insbesondere an Lippen, Augenlidern und Händen
- Schwindel und Konzentrationsprobleme durch Sauerstoffmangel im Gehirn
- Kurzatmigkeit und Herzrasen, vor allem bei Belastung
- Kopfschmerzen und Ohrensausen
- Kalte Hände und Füße durch mangelnde Durchblutung
- Brüchige Nägel und Haarausfall besonders bei Eisenmangelanämie
- Zungenbrennen oder Schluckbeschwerden kann bei Vitamin-B12- oder Eisenmangel auftreten
In schweren Fällen kann es zu Ohnmachtsanfällen, Herzproblemen oder einer verminderten Leistungsfähigkeit kommen. Die Symptome hängen stark von der Ursache ab.
Verlauf einer Anämie
Auch der Verlauf einer Anämie hängt von der Ursache und der Schwere ab. Eine leichte Anämie ist häufig ein Zufallsbefund, während eine schwerere Form zu anhaltenden Symptomen wie Müdigkeit, Leistungsabfall und Kreislaufproblemen führt.
Mit Behandlung:
- Eisenmangelanämie bessert sich durch Eisenpräparate und eine angepasste Ernährung meist innerhalb weniger Wochen.
- Vitamin-B12- oder Folsäuremangelanämie kann durch Supplemente oder Injektionen gut behandelt werden.
- Blutbildungsstörungen (z. B. aplastische Anämie) benötigen eine gezielte medizinische Therapie, oft mit Medikamenten oder Bluttransfusionen.
- Chronische oder genetisch bedingte Anämien (z. B. Sichelzellanämie, Thalassämie) können lebenslange Behandlungen erfordern.
Ohne Behandlung:
- Zunehmende Müdigkeit, Schwäche und Atemnot
- Langfristige Organbelastung, weil das Herz stärker arbeiten muss, was das Risiko für Herzinsuffizienz erhöhen kann.
- Eingeschränkte Gehirnfunktion, Konzentrationsprobleme und Gedächtnisschwäche
- Schwere Mangelzustände verursachen irreversible Nervenschäden bei unbehandelter Vitamin-B12-Mangelanämie.
- Erhöhte Infektanfälligkeit
- Chronischer Sauerstoffmangel kann zudem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.
Arten und Ursachen einer Anämie
Es gibt sechs verschiedene Arten der Anämie, die auf verschiedene Ursachen zurückgehen.
1. Eisenmangelanämie
Die häufigste Form der Anämie entsteht durch Eisenmangel, weil Eisen für die Bildung von Hämoglobin benötigt wird. Ursachen sind mangelnde Eisenaufnahme über die Nahrung, erhöhter Bedarf (z. B. Schwangerschaft, Wachstum) oder Blutverlust (z. B. starke Regelblutung, Magen-Darm-Blutungen). Typische Symptome sind Müdigkeit, Blässe und brüchige Nägel.
2. Vitamin-B12- und Folsäuremangelanämie (Megaloblastäre Anämie)
Ein Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure führt zu gestörter Zellteilung und vergrößerten, funktionsgestörten roten Blutkörperchen. Ursachen sind eine mangelhafte Ernährung, Aufnahmestörungen im Darm oder ein erhöhter Bedarf (z. B. Schwangerschaft). Ein unbehandelter Vitamin-B12-Mangel kann Nervenschäden mit Kribbeln und Taubheitsgefühlen verursachen.
3. Blutungsbedingte Anämie
Diese Form tritt durch akuten oder chronischen Blutverlust auf, wodurch dem Körper rote Blutkörperchen entzogen werden. Häufige Ursachen sind starke Menstruationsblutungen, Magen-Darm-Blutungen oder Blutungen nach Operationen oder Verletzungen. Die Symptome hängen von der Menge des Blutverlusts ab und reichen von leichter Müdigkeit bis hin zu Kreislaufproblemen.
4. Hämolytische Anämie
Hierbei werden die roten Blutkörperchen zu früh abgebaut, bevor der Körper sie ersetzen kann. Ursachen sind Autoimmunerkrankungen, Infektionen, Medikamente oder erbliche Erkrankungen wie Sichelzellanämie oder Thalassämie. Typisch sind Gelbsucht (Ikterus), Müdigkeit und eine vergrößerte Milz.
5. Anämie bei chronischen Erkrankungen
Langfristige Erkrankungen wie Niereninsuffizienz, Rheuma oder Krebs können die Blutbildung im Knochenmark hemmen oder die Eisenverwertung stören. Diese Anämie entwickelt sich oft langsam und wird durch die Grunderkrankung verursacht. Die Behandlung richtet sich daher in erster Linie nach der Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung.
6. Aplastische Anämie
Eine seltene, aber schwere Form der Anämie, bei der das Knochenmark zu wenige oder gar keine Blutzellen mehr bildet. Ursachen sind Autoimmunreaktionen, Strahlenbelastung, bestimmte Medikamente oder genetische Defekte. Da oft auch weiße Blutkörperchen und Blutplättchen betroffen sind, besteht ein erhöhtes Risiko für Infektionen und Blutungen.
Risikofaktoren für eine Anämie
- Eisen- oder Vitaminmangel durch unausgewogene Ernährung
- Erhöhter Bedarf, z. B. in Schwangerschaft oder Wachstumsphasen
- Blutverluste durch starke Menstruation, innere Blutungen oder Verletzungen
- Chronische Erkrankungen wie Niereninsuffizienz, Rheuma oder Krebs
- Genetische Faktoren, z. B. Sichelzellanämie, Thalassämie
- Medikamente, z. B. Chemotherapie, bestimmte Antibiotika oder Immunsuppressiva
Diagnose
Die Ärztin oder der Arzt beginnt mit einer Anamnese, in der Symptome, Ernährungsgewohnheiten, Vorerkrankungen und mögliche Blutverluste abgefragt werden. Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, bei der auf Blässe, Herzfrequenz und mögliche Begleiterscheinungen geachtet wird.
Wichtige Untersuchungen zur Diagnose:
- Blutuntersuchung mit Fokus auf folgende Werte:
- Der Hämoglobinwert (Hb) zeigt die Schwere der Anämie an.
- Hämatokrit (Hkt) gibt den Anteil der roten Blutkörperchen am Gesamtblutvolumen an.
- Die Erythrozytenzahl zeigt, ob zu wenige rote Blutkörperchen vorhanden sind.
- Das mittlere Zellvolumen (MCV) und der Hämoglobingehalt (MCH) helfen, die Art der Anämie zu bestimmen.
- Eisen, Ferritin und Transferrinsättigung werden bestimmt zur Abklärung einer Eisenmangelanämie.
- Vitamin B12 und Folsäure werden gemessen zur Diagnose einer megaloblastären Anämie.
- Ein Blutausstrich unter dem Mikroskop zeigt veränderte Form oder Größe der roten Blutkörperchen.
- Eine Knochenmarkpunktion wird bei Verdacht auf aplastische oder hämolytische Anämien vorgenommen
- Ein Hämolyse-Test (LDH, Bilirubin, Retikulozytenzahl) wird bei Verdacht auf eine hämolytische Anämie durchgeführt.
- Ein Stuhltest auf verborgenes Blut (Hämoccult-Test) ermittelt Magen-Darm-Blutungen als Ursache.
Therapie: So lässt sich eine Anämie behandeln
Die Behandlung der Anämie richtet sich nach ihrer Ursache. Ziel ist es, den Hämoglobinspiegel zu normalisieren, die Sauerstoffversorgung des Körpers sicherzustellen und mögliche Folgeschäden zu vermeiden.
Eisenmangelanämie: So wird sie behandelt
- Eisenpräparate (Tabletten, Tropfen, Infusionen) helfen, den Eisenspeicher wieder aufzufüllen.
- Gleiches gilt für eisenreiche Ernährung zum Beispiel mit Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Nüssen und grünem Blattgemüse.
- Vitamin-C-Zufuhr verbessert die Eisenaufnahme (z. B. Orangensaft zu eisenhaltigen Mahlzeiten).
Vitamin-B12- oder Folsäuremangelanämie: So wird sie therapiert
- Vitamin-B12-Spritzen oder Tabletten helfen bei Aufnahmestörungen.
- Folsäurepräparate werden insbesondere Schwangeren oder bei Mangel durch Magen-Darm-Erkrankungen verabreicht.
Behandlung der blutungsbedingten Anämie
- Ursache des Blutverlusts beheben – z. B. bei starken Menstruationsblutungen, Magengeschwüren oder Darmblutungen.
- Eisen- oder Bluttransfusionen bei akutem oder starkem Blutverlust.
Therapie der hämolytischen Anämie
- Immunsuppressiva oder Kortison werden verabreicht, wenn eine Autoimmunreaktion die roten Blutkörperchen zerstört.
- Bluttransfusionen oder Austauschtransfusionen kommen bei schweren Formen wie Sichelzellanämie zur Anwendung.
Behandlung der Anämie bei chronischen Erkrankungen
- Therapie der Grunderkrankung, z. B. Behandlung von Nierenerkrankungen oder Autoimmunerkrankungen.
- Erythropoetin (EPO)-Therapie zur Anregung der Blutbildung bei Niereninsuffizienz.
Therapie der aplastischen Anämie
- Bluttransfusionen und Knochenmarktransplantation bei schwerem Knochenmarkversagen.
- Immunsuppressive Medikamente um eine Autoimmunreaktion gegen das Knochenmark zu stoppen.
Unterstützende Maßnahmen bei allen Formen der Anämie
- Gesunde, ausgewogene Ernährung mit Eisen, B12 und Folsäure.
- Regelmäßige Bewegung verbessert die Sauerstoffaufnahme.
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr unterstützt die Blutbildung.
Was die Apotheke rät
- Eine eisenreiche Ernährung mit Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Nüssen, Samen, grünem Blattgemüse und Trockenfrüchten liefert das Spurenelement auf natürlichem Weg.
- Vitamin C verbessert die Eisenaufnahme. Zitrusfrüchte, Paprika oder Acerolakirsche steigern die Eisenverwertung.
- Kaffee, Tee, Milchprodukte und kalziumreiche Lebensmittel hemmen die Eisenaufnahme, daher den Konsum reduzieren.
- Bewegung an der frischen Luft fördert die Durchblutung und Sauerstoffversorgung.
- Regelmäßige Blutkontrollen helfen, die Blutwerte im Blick zu behalten, besonders bei Schwangeren oder Menschen mit Vorerkrankungen.
- Eisenpräparate aus der Apotheke mit zweiwertigem Eisen verbessern die Eisenaufnahme.
- Vitamin-B12-Präparate gibt es als Tabletten, Tropfen oder Lutschtabletten für Menschen mit Resorptionsstörungen.
- Folsäurepräparate sind besonders in der Schwangerschaft empfehlenswert.
- Bei langfristiger Einnahme von Magenschutzmitteln oder Metformin den Vitamin-B12-Spiegel überprüfen lassen.
Anämie kurz zusammengefasst
- Anämie ist eine Verminderung der roten Blutkörperchen oder des Hämoglobins.
- Symptome sind Müdigkeit, Blässe, Schwindel und Herzklopfen.
- Ursachen können Eisen- und Vitaminmangel, chronische Krankheiten oder genetische Faktoren sein.
- Die Diagnose erfolgt durch ein Blutbild und weiterführende Tests.
- Die Therapie richtet sich nach der jeweiligen Ursache.
Quellen
Zuletzt aktualisiert: 11.04.2025
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