Natascha Plankermann
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12.08.2021
Weshalb entzündet sich die Blase?
Al-Shurbaji: Wenn das Immunsystem geschwächt ist – zum Beispiel, weil man mit nasser Badekleidung im kühlen Wind gesessen hat – kann die Blasenschleimhaut empfindlich reagieren. Dann finden Bakterien ein gutes Umfeld, um sich zu vermehren. Frauen trifft es häufiger, weil ihre Harnröhre nur rund drei Zentimeter lang ist. Zum Vergleich: Bei Männern sind es bis zu 20 Zentimeter. Deshalb haben es vor allem Darmbakterien wie etwa Escherichia coli leicht auf diesem kurzen Weg in die Blase vorzudringen und sie zu reizen.
Woran erkennt man eine solche Entzündung?
Al-Shurbaji: Es gibt leichte, mäßige und schwere Entzündungen. Ein leichter Verlauf zeigt sich daran, dass sich immer wieder auf unangenehme Weise das Gefühl einstellt, Wasser lassen zu müssen – auch wenn es nur ein paar Tropfen sind, die dann unter Schmerzen rinnen. Die Beschwerden können sich steigern, und in den Urin kann sich sogar Blut mischen. Denn bei einer stärkeren Entzündung bluten öfter die kleinen Blutgefäße in der Blase.
Müssen Betroffene sofort zum Arzt gehen?
Al-Shurbaji: Nicht unbedingt. Eine leichte bis mäßige Blasenentzündung kann auch spontan heilen, wenn man innerhalb der ersten ein, zwei Tage viel trinkt – zum Beispiel täglich zwei Liter ungesüßten Tee oder Cranberrysaft. Präparate mit einem Extrakt aus Beerentraubenblättern oder aus Meerrettichwurzel und Kapuzinerkresse können ebenfalls hilfreich wirken. Wer nur unter leichten Beschwerden leidet, muss nicht immer sofort ein Antibiotikum einnehmen. Dadurch entstehen ungewollte Resistenzen. Zweimal täglich Ibuprofen-Tabletten mit 400 Milligramm Wirkstoff können für eine Heilung reichen.
Wann ist eine ausführliche Diagnose notwendig?
Al-Shurbaji: Wenn das Brennen und wenn die Schmerzen nach 48 Stunden nicht nachlassen oder weitere Beschwerden wie Fieber und Schüttelfrost hinzukommen, sollten Betroffene unbedingt zum Arzt gehen. Sonst können sich die Bakterien ausbreiten. Bei einem akuten Fall sollte ein Urologe eine Bakterienkultur anlegen und diese über 24 Stunden beobachten. Idealerweise wird der Urin über einen Katheter entnommen. Anhand der Zahl und Art der Bakterien bestimmt der Experte, ob ein Antibiotikum notwendig ist und welches wirksam sein kann. Die Therapie beginnt meist schon parallel und wird angepasst, sobald die Laborergebnisse vorliegen.
Reicht das immer aus?
Al-Shurbaji: Unter Umständen muss der Arzt eine ausführliche Urindiagnostik vornehmen, um andere Erkrankungen auszuschließen. Zudem kann er mit einer Ultraschalluntersuchung der Blase und der Nieren überprüfen, ob es beispielsweise Nierensteine gibt. Kehrt die Blasenentzündung immer wieder, muss die Harnblase gespiegelt werden, was Fachleute als Cystoskopie bezeichnen. Dadurch kann der Arzt eine Harnröhrenverengung oder einen Blasenstein feststellen.
Was tun, wenn man immer wieder Blasenentzündungen hat?
Al-Shurbaji: Ich mache seit 13 Jahren gute Erfahrungen damit, Patienten zu impfen, die alle paar Wochen mit Blasenentzündungen kämpfen. Innerhalb von drei Wochen wird ein Wirkstoff aus fünf abgetöteten Keimen drei Mal in die Muskulatur gespritzt. Auf diese Weise wird das Immunsystem angeregt sowie gestärkt. Ein Jahr lang können Infektionen ausbleiben, bis man die Impfung auffrischen muss. Den Wirkstoff müssen Patienten allerdings selbst bezahlen, er kostet rund 50 Euro pro Spritze. Immer mehr Urologen bieten dies an, die Kassen zahlen die Behandlung zurzeit nicht.
Warum sollte man Blasenentzündungen schnell behandeln?
Al-Shurbaji: Eine unbehandelte Blasenentzündung kann sich bis in das Nierenbecken ausbreiten, sogar zu einer Blutvergiftung kann es durch die Bakterieninfektion kommen. Bei einer Nierenbeckenentzündung müssen Patienten häufig ins Krankenhaus und bekommen über drei Tage hinweg Antibiotika als Infusion in die Vene verabreicht.
Gibt es Möglichkeiten, vorzubeugen?
Al-Shurbaji: Am besten eine Wasserflasche auf den Schreibtisch stellen, damit man ans Trinken denkt. Blasenentzündungen können sich bei Frauen übrigens auch nach dem Geschlechtsverkehr entwickeln. Wer danach duscht oder zur Toilette geht, kann das anschließende Aufsteigen der Bakterien im Körper verhindern. Außerdem gilt es, Intimhygiene nicht zu übertreiben. Ausgiebige Reinigung stört die empfindliche Scheidenflora. Dabei bedürfen die Schleimhäute vor allem jenseits der Wechseljahre besonderer Pflege, weil sie durch hormonelle Veränderungen dünner und trockener werden. In solchen Fällen kann eine Hormonsalbe hilfreich sein, die die Scheidenschleimhaut festigt.
Vielen Dank für das Gespräch!