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27.05.2021
Kinder erkranken zwar viel seltener schwer an Covid-19 als Erwachsene, sind aber deshalb nicht zwangsläufig weniger ansteckend. Diese These stellte die Arbeitsgruppe von Professor Dr. Christian Drosten an der Berliner Charité schon vor ziemlich genau einem Jahr auf. Nun untermauern die Wissenschaftler ihre These mit neuen Erkenntnissen, die sie im Fachmagazin „Science“ vorstellen. Dafür werteten sie PCR-Proben von mehr als 25.000 SARS-CoV-2-Infizierten verschiedenen Alters und unterschiedlicher Symptomschwere aus.
Die Analyse nach Altersgruppen zeigte dabei keine Unterschiede in der Viruslast bei Infizierten zwischen 20 und 65 Jahren: Im Schnitt enthielten deren Rachenabstriche rund 2,5 Millionen Kopien des SARS-CoV-2-Erbguts. In den Proben der jüngsten Kinder zwischen null und fünf Jahren fand das Forschungsteam mit etwa 800.000 Erbgutkopien die niedrigsten Viruslasten, bei älteren Kindern und Jugendlichen glichen sich die Werte mit steigendem Alter denen der Erwachsenen an. Drosten erklärt in einer begleitenden Pressemitteilung der Charité, dass die Zahlen zunächst zwar unterschiedlich aussehen, sich dies aber einfach erklären lässt: Bei Kindern würden deutlich kleinere Abstrichtupfer eingesetzt, die weniger als halb so viel Probenmaterial in die PCR-Testung einbrächten. Außerdem verzichte man bei ihnen auf die schmerzhaften tiefen Nasenrachen-Abstriche und mache stattdessen oft nur einfache Rachenabstriche, in denen sich noch einmal weniger Virus finde. „Deshalb erwarten wir bei Kindern mit gleicher Virusvermehrung von vorn herein geringere Viruslast-Messwerte in der PCR“, verdeutlichte Drosten.
Zum Zeitpunkt der höchsten Ansteckungsfähigkeit betrug die geschätzte Infektiosität der Kinder zwischen null und fünf Jahren 78 Prozent des Wertes von Erwachsenen. Auch hier näherten sich Schüler und Heranwachsende mit steigendem Alter den Erwachsenen an. Diese datenbasierten Schätzungen der Infektiosität müsse man aber noch leicht nach oben korrigieren wegen der unterschiedlichen Probennahme bei Kindern. „Mein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen hat sich bestätigt, nicht nur hier, sondern auch in anderen Studien“, fasst Drosten zusammen.
Hohe Viruslast auch ohne Symptome möglich
Auch weitere Ergebnisse der Studie bestätigen frühere Beobachtungen: Etwa 9 Prozent der Untersuchten fielen durch eine außergewöhnlich hohe Viruslast von einer Milliarde Erbgutkopien oder mehr auf. Mehr als ein Drittel dieser hochinfektiösen Personen hatte keine oder nur milde Symptome. „Dass sich hierunter so viele Menschen ohne relevante Krankheitssymptome finden, macht klar, warum Maßnahmen wie Abstandsregeln und die Maskenpflicht für die Kontrolle der Pandemie so wichtig sind“, so Drosten. Hierfür spricht auch ein weiteres Ergebnis der Studie: Anhand ihrer neuen Verlaufsmodelle schätzen die Forscher, dass alle SARS-CoV-2-Infizierten schon ein bis drei Tage vor Symptombeginn die höchste Viruslast im Rachen haben.
DOI: 10.1126/science.abi5273