Natascha Koch
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16.11.2020
Wer an einer Depression erkrankt ist, hat den Lockdown deutlich belastender erlebt als die Allgemeinbevölkerung (74 Prozent versus 59 Prozent). Betroffene hatten zwar nicht mehr Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus (43 Prozent versus 42 Prozent), sie litten aber fast doppelt so häufig unter der fehlenden Tagesstruktur (75 Prozent versus 39 Prozent).
In der häuslichen Isolation blieben depressiv Erkrankte zudem deutlich häufiger tagsüber im Bett als psychisch gesunde Personen. "Menschen in einer Depression sind hoffnungslos und erschöpft. Eine fehlende Tagesstruktur erhöht das Risiko, dass sich Betroffene grübelnd ins Bett zurückziehen. Lange Bettzeiten können die Depression jedoch weiter verstärken. Ein Teufelskreis beginnt", erläutert Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Inhaber der Senckenberg-Professur an der Goethe-UniversitätFrankfurt/Main.
Therapie-Sitzungen sind oft ausgefallen
Hinzu kommt, dass auch die Behandlung der depressiv Erkrankten massiv unter den Lockdown-Maßnahmen gelitten hat. Jeder zweite Betroffene berichtet von ausgefallenen Behandlungsterminen beim Facharzt oder Psychotherapeuten. Jeder Zehnte erlebte sogar, dass ein geplanter Klinikaufenthalt nicht stattfinden konnte. 13 Prozent der Betroffenen gaben an, von sich aus Behandlungstermine aus Angst vor Ansteckung abgesagt zu haben.
Online-Sprechstunden werden gut angenommen
Um der Versorgungslücke entgegen zu wirken, erhielten Ärzte und Psychotherapeuten im Frühjahr 2020 die Möglichkeit, Videosprechstunden oder telefonische Behandlungen bei den Krankenkassen abzurechnen. 14 Prozent der Patienten, die aktuell an einer Depression leiden, haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und in der Corona-Zeit zum ersten Mal Behandlungsangebote per Telefon oder Video genutzt. Patienten sind mit den Telefon- und Video-Sprechstunden beim Psychotherapeuten sehr zufrieden: 82 Prozent bzw. 85 Prozent bewerten diese positiv.
Für die vorliegende Studie wurden 5.178 Personen zwischen 18 und 69 Jahren im Juni und Juli 2020 online befragt.