Natascha Koch
|
02.05.2022
Soziale Medien wie Whatsapp, Instagram & Co sind Fluch und Segen zugleich. Zum einen vereinfachen sie die Kommunikation und bringen Menschen auf der ganzen Welt zusammen. Auf der anderen Seite werden auch Konflikte heutzutage immer häufiger über das Internet ausgetragen. Experten sprechen von Cybermobbing. "Dabei ist die Bandbreite groß: Sie reicht von der Verbreitung von Gerüchten im Klassenchat über Beschimpfungen in Gaming-Foren bis hin zu manipulierten Bildern oder Videos, die betroffene Personen herabwürdigend zeigen. Nicht selten stellen solche Bilder Menschen in besonders intimen Situationen dar", erklärt Stefanie Rack von der Initiative klicksafe. Das Projekt, gefördert von der Europäischen Kommission, macht sich für mehr Sicherheit im Netz stark.
Wie massiv sich Mobbing in den vergangenen Jahren vom Klassenzimmer ins Netz verlagert hat, zeigt eine Befragung im Auftrag der Techniker Krankenkasse: Die Zahl der von Cybermobbing betroffenen Kinder und Jugendlichen stieg demnach seit 2017 von 12,7 Prozent auf 17,3 Prozent im Jahr 2020. In absoluten Zahlen geht es um fast zwei Millionen Kinder und Jugendliche, die schon einmal über das Internet gemobbt wurden. Die Coronavirus-Pandemie hat die Problematik verschärft. Geschlossene Schulen und Kontaktbeschränkungen bewirkten, dass junge Menschen noch stärker als bisher über soziale Medien kommunizierten. Zugleich gab es eine starke Zunahme der Fälle von Cybermobbing, berichtet Kai Lanz, Mitbegründer des Online-Portals krisenchat.de, das Chatberatungen für Kinder und Jugendliche in Not anbietet: "Wir hatten in den Zeiten, in denen die Schulen wegen der Coronavirus-Pandemie geschlossen waren, doppelt so viele Beratungen wegen Cybermobbing als sonst." Besonders betroffen seien Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren.
Cybermobbing endet nicht nach Schulschluss
Cybermobbing belastet die Opfer ganz besonders, weil das Hänseln nicht nach Schulschluss endet und die Täter sie fast rund um die Uhr erreichen. Die Folgen für die seelische und körperliche Gesundheit sind gravierend. "Betroffenen Kinder und Jugendliche schlafen schlechter, haben Bauchschmerzen, wollen nicht mehr in die Schule, haben Angst, auf das Smartphone zu schauen. Nicht selten verletzen sich Opfer auch selbst bis hin zum Suizid", sagt Stefanie Rack. Umso wichtiger ist es, sich rasch Hilfe zu holen. Mittlerweile gibt es diverse Plattformen an die sich betroffene Kinder und Jugendliche kostenfrei und anonym wenden können:
- Chat-Beratung bei www.krisenchat.de: Kinder und Jugendliche können sich rund um die Uhr an die professionellen Chat-Berater wenden, entweder über Whatsapp oder SMS.
- Erste-Hilfe-App von klicksafe: Die kostenfreie App bietet videobasierte Beratungen und Tutorials für Opfer von Cybermobbing.
- eine E-Mail- oder Chat-Beratung bei www.juuport.de: Hilfesuchende können hier eine Textnachricht hinterlassen oder montags bis freitags von 18 bis 20 Uhr mit einem Juuport-Scout chatten.
- Nummer gegen Kummer 116 111: An das Kinder- und Jugendtelefon können sich Kinder und Jugendliche montags bis freitags von 14 bis 20 Uhr und montags, mittwochs und donnerstags von 10 bis 12 Uhr wenden.
Allein der Austausch über die Probleme verschafft Betroffenen bereits eine große Erleichterung: "Oft sind unsere Beraterinnen und Berater die ersten Personen, denen sich die Jugendlichen anvertrauen. Das ist enorm wichtig, denn so entsteht das Gefühl: Ich bin nicht allein, hier gibt es jemanden, der für mich da ist", weiß Lanz von krisenchat.de. Je nach individueller Ausgangslage geben Berater Betroff enen konkrete Tipps mit auf den Weg. "Hier unterscheiden sich die Vorgehensweisen auch von der Art und Weise des Mobbings, also: Ist die Täterin oder der Täter anonym? In diesem Fall empfiehlt es sich, die betreffende Person zu blockieren, eventuell kann man auch eine Anzeige bei der Polizei schalten", so Lanz. Dafür sei es sinnvoll, Beweise zu sichern, etwa durch Screenshots.
In Schule und Familie über das Thema sprechen
Kommt der Täter aus dem persönlichen Umfeld, gestaltet sich die Situation oft schwieriger. In diesem Fall empfiehlt Lanz, sich zu überlegen, wo man ganz konkret Unterstützung bekommen kann. Hierzu zählen andere Mitschüler, Freunde, Geschwister, eine Lehrkraft oder die eigenen Eltern. Dazu gehöre auch, sich klarzumachen, dass man selbst keine Schuld trägt und sich wehren darf. Opfer von Cybermobbing kann jeder werden – auch ohne überhaupt ein Smartphone zu besitzen oder ein Profil in sozialen Netzwerken zu haben. Wichtig daher: Sowohl in der Schule als auch innerhalb der Familie über das Thema sprechen und nicht wegschauen, wenn man Cybermobbing beobachtet.