23.10.2014
Wer glaubt, die Welt um sich herum wirklich scharf zu sehen, der irrt. Tatsächlich können unsere Augen nur einen Bruchteil der Umgebung präzise abbilden. Wie das Gehirn das Scharf-Sehen vorgaukelt, das haben Psychologen der Universität Bielefeld mit einer Reihe von Experimenten untersucht.
Allein die Fovea – die zentrale Stelle der Netzhaut – kann Objekte scharf abbilden. Deshalb dürften wir eigentlich nur einen schmalen Bereich unserer Umwelt wirklich präzise sehen. Dieser Bereich entspricht etwa dem Daumennagel am Ende eines ausgestreckten Arms. Alle Seheindrücke, die außerhalb der Fovea auf die Netzhaut treffen, werden hingegen zunehmend unscharf abgebildet. In unzähligen Blickbewegungen lernen Menschen im Laufe ihres Lebens, den unscharfen Seheindruck von Objekten außerhalb der Fovea mit bereits zuvor im Gehirn abgespeicherten präzisen Bildern des gleichen Objekts zu verknüpfen. Dieser Abgleich und Austausch der Bilder geschieht bereits, bevor sich die Augen tatsächlich auf das Objekt, z.B. einen Ball, richten. Die Person glaubt somit, dass sie den Ball genau erkennen kann, obwohl das noch nicht der Fall ist.
Mit Eyetracking-Experimenten, bei der sich Blickbewegungen mit einer speziellen Kamera messen lassen, haben die Wissenschaftler diesen Ansatz untermauert. Die Verknüpfung eines unscharfen Seheindrucks mit einem scharfen Seheindruck kam bei den Versuchsteilnehmern bereits nach wenigen Minuten zustande. Der unscharfe Seheindruck wurde den neu erlernten scharfen Seheindrücken ähnlicher. „Die Experimente zeigen, dass unser Seheindruck wesentlich von gespeicherten Erfahrungen in unserem Gedächtnis abhängt“, sagte einer der Studienleiter, Dr. Arvid Herwig. „Wir sehen nicht die aktuelle Welt, sondern unsere Vorhersagen."
RF