22.08.2019
Mehr als jeder dritte Befragte hält die Digitalisierung im Gesundheitswesen hierzulande für „rückständig“. Ob Patientenakte, digitale Terminvereinbarung mit Ärzten, Monitoring von Vitaldaten, Gesundheits-Apps oder Online-Beratung – nahezu alle digitalen Lösungen stuft mindestens jeder zweite Umfrageteilnehmer als nicht ausgereift ein. Grundsätzlich herrscht keine „generelle Abneigung in Deutschland gegenüber einem digitalen unterstützenden Gesundheitssystem“, heißt es in der vom internationalen Marktforschungsunternehmen Ipsos in Auftrag gegebenen Studie. Allerdings tun sich die Akteure des deutschen Gesundheitswesens schwer damit, die rund 2000 Krankenhäuser, 118 Krankenkassen, knapp 20.000 Apotheken, mehr als 200.000 Haus- und Fachärzte sowie Therapeuten und die 83 Millionen Patienten digital miteinander zu verbinden.
Einer der Hauptgründe, warum Deutschland in Sachen Digitalisierung hinterherhängt, liegt nach Ansicht der Experten im föderalen System und der damit verbundenen dezentralen Organisation. Insbesondere stehen demnach Insellösungen dem flächendeckenden Start digitaler Anwendungen im Wege. Und auch die hohen Anforderungen an die Datensicherheit sei für viele Anbieter eine Hürde.
Der Studie zufolge befürchten die Experten, dass bei weiteren Verzögerungen Technologiekonzerne wie Google, Amazon, Facebook, Apple & Co. die Branchen übernehmen und europaweit die „Souveränität über Patientendaten“ verloren geht. Schließlich gebe es kaum Vorhaben der EU-Staaten mit vergleichbarer Größe und Kapitalkraft. Zudem hätten die Global Player bereits „massiv in digitale Healthcare-Anwendungen und Fachexpertise investiert. Gegenüber nationalen Initiativen haben sie bereits einen Vorsprung“, heißt es. Daher empfehlen die Experten unter anderem einheitliche gesetzliche Rahmenbedingungen für Anbieter digitaler Gesundheitslösungen in ganz Europa, um die Marktmacht der Global Player durch klare Regeln zu entschärfen.
Für die Studie hatte die Unternehmensberatung Sopra Steria Consulting sowohl die Meinung von 35 Fachleuten aus der Gesundheitsbranche als auch die Sicht der Bevölkerung aus sechs europäischen Ländern zusammengetragen: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Norwegen und Belgien. Insgesamt nahmen zwischen Juli 2018 und März 2019 je 200 Bürger pro Land an einem Telefoninterview teil.
JE/PZ