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02.12.2022
Beim Klinefelter-Syndrom haben Jungen und Männer häufig mindestens ein X-Chromosom zu viel. Dies kann mit mehreren gesundheitlichen Einschränkungen einhergehen, jedoch wird die Krankheit bis heute nur bei einem geringen Teil der Betroffenen diagnostiziert. Daher rät die Deutsche Gesellschaft für Andrologie e.V. (DGA) zu verstärkter Aufmerksamkeit. Das Syndrom betrifft etwa 1 von 500 neugeborenen Jungen.
In der Kindheit sei das Klinefelter-Syndrom in der Regel unauffällig. Erst mit der Pubertät treten Symptome auf, die oft unspezifisch sind. „Hinweisgebend sind jedoch deutlich im Volumen reduzierte Hoden“, erklärt Prof. Dr. med. Sabine Kliesch, DGA-Präsidentin und Chefärztin des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) der Universität Münster. Bei vielen betroffenen Jungen findet sich in der Krankengeschichte zudem ein beidseitiger Hodenhochstand. Das bedeutet, dass die Hoden nach der Geburt im Bauchraum verbleiben und nicht oder erst spät in den Hodensack wandern. In der Pubertät bleiben die Hoden zudem klein und fühlen sich fest an. „Wir können diese Jungen und Männer gut behandeln, um die Folgen eines Klinefelter-Syndroms zu minimieren, dafür braucht es aber mehr Aufmerksamkeit und Aufklärung der Öffentlichkeit, damit wir die Betroffenen überhaupt identifizieren können“, so DGA-Pressesprecher Dr. med. Christian Leiber-Caspers.
Frühe Diagnose ermöglicht spätere Vaterschaft
Die frühe Diagnose des Klinefelter-Syndroms ist wichtig, denn den Betroffenen droht als bedeutendste Einschränkung die Unfruchtbarkeit: Die kleinen und unterentwickelten Hoden können keine oder nur stark eingeschränkt zeugungsfähige Spermien produzieren. Um die Möglichkeit auf eine spätere Vaterschaft zu erhalten, kann etwa ab dem 15. Lebensjahr eine Samenabgabe erfolgen und – sofern Spermien im Ejakulat vorhanden sind – diese Probe zur Sicherung der Fruchtbarkeit eingefroren und gelagert werden. „Wenn keine Spermien im Ejakulat zu finden sind, empfehlen wir Patienten alternativ den Versuch einer Spermiengewinnung mittels Hodenbiopsie“, erklärt Kliesch. Diese Hodengewebsproben können, sofern Spermien enthalten sind, ebenfalls eingefroren und gelagert werden. Das beste Zeitfenster scheint nach Studienlage im jungen Erwachsenenalter zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr zu sein.
Im Erwachsenenalter entwickeln sieben von zehn Betroffenen aufgrund der unterentwickelten Hoden zudem einen ausgeprägten Testosteronmangel. Dieser sollte medikamentös behandelt werden, um Langzeitfolgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose, Blutarmut, verminderte Libido oder Potenzstörungen zu verhindern.
Mehr Informationen finden Interessierte auf der Webseite der Deutschen Klinefelter-Syndrom Vereinigung e.V. unter www.klinefelter.de.