09.10.2013
Es ähnelt einem Herzschrittmacher. Und wie diesen setzen es Chirurgen den Patienten unter den großen Brustmuskel ein. Von dort aus führt eine Elektrode zu einer der beiden Halsschlagadern. Über sie gaukelt das Gerät dem Gehirn höhere Blutdruckwerte vor, als in Wirklichkeit bestehen. Das Nervenzentrum reagiert und sendet Signale an die körpereigene Hormonproduktion aus, um den Blutdruck zu senken.
In der Fachwelt heißt das Verfahren Baroreflexstimulation. Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose, er dauert etwa zwei bis drei Stunden. Schon während dieser Zeit kann der Chirurg die elektrischen Impulse testen, um die optimale Stromstärke herauszufinden.
Für Hochrisikopatienten
"Die Baroreflexstimulation ist für Hochrisikopatienten die richtige Therapie", sagt Professor Dr. Dieter Horstkotte, Direktor des Herz- und Diabeteszentrums der Universitätsklinik Bochum. Er verweist auf Risikopatienten, die "trotz komplexer Kombinationstherapie hochgefährdet sind, innerhalb von zehn Jahren einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden". Eine dieser einst gefährdeten Patientinnen ist die aus Ostwestfalen stammende und heute in Österreich lebende 60-jährige Karola Söfker. Bei ihr haben Ärzte zehn Jahre lang vergeblich versucht, mit Medikamenten den hohen Blutdruck bis auf Werte von etwa 140/90 mmHg zu senken. Weil das nicht gelang, und schwere Erkrankungen wie Diabetes, Nierenfunktionsstörungen und ein leichter Schlaganfall auftraten, wurde die ehemalige Steueramtsrätin frühzeitig pensioniert.
30.000 Euro pro Eingriff
Karola Söfker zählt zu 43 Patienten, die an einer europaweiten Studie teilnahmen. Unter der Federführung von Dr. Siegfried Eckert, Oberarzt der Klinik Bad Oeynhausen, testeten Mediziner die neue Methode. Das Therapieverfahren hat Karola Söfker inzwischen die Rückkehr zur früheren Lebensqualität gebracht. Sie nimmt nur mehr die Hälfte der früheren Hochdruck-Medikamente ein. Der Blutzucker hat normale Werte.
Krankenkassen zahlen nicht
Außer in Bad Oeynhausen bieten noch Zentren in Düsseldorf, Köln, Hannover und Göttingen die Baroreflexstimulation an. Allerdings übernehmen die Krankenkassen bislang nicht die hohen Kosten von rund 30.000 Euro je Implantation. Eine andere Möglichkeit, um ungewöhnlich hohe Blutdruckwerte zu senken, bietet ein Katheterverfahren. Hier verödet der Arzt Nervengewebe in den Nierengefäßen. Die dadurch abgeschwächten Nervenimpulse reduzieren die Ausschüttung von Hormonen, die in der Folge den Blutdruck steigen lassen. Die Gefäße ziehen sich zusammen, und der Blutdruck sinkt. Diese Behandlung wird derzeit von den Krankenkassen teilweise übernommen.
Max Conradt