19.10.2016
Placebos sind Medikamente ohne Arzneistoffe. Trotzdem berichten viele Menschen, dass sich nach der Einnahme ihre Symptome bessern. In den meisten Fällen wissen die Patienten jedoch nicht, dass sie ein Placebo erhalten haben - der Effekt wird daher dem reinen Glauben an die Wirkung zugeschrieben. Eine neue Studie zeigt nun, dass eine Wirkung auch dann eintreten kann, wenn die Patienten wissentlich ein Scheinmedikament einnehmen.
Dass Scheinmedikamente tatsächlich wirken können, ist schon länger bekannt. Ärzte bezeichnen dies als „Placebo-Effekt“, der allein durch die Gabe eines Medikaments und den Glauben an die Wirkung daran entsteht. Eine neue Studie zeigt jetzt, dass Placebos sogar dann wirken können, wenn die Patienten wissen, dass sie ein Medikament ganz ohne Wirkstoff einnehmen. Dies berichten die Wissenschaftler um Ted Kaptchuk vom Beth Israel Deaconess Medical Center und der Harvard Medical School im Fachblatt „Pain“. Bei Rückenschmerz-Patienten, die wissentlich ein Scheinmedikament bekamen, besserten sich die Symptome im Vergleich zur Kontrollgruppe um 30 Prozent. Beide Gruppen nahmen bereits vor der Studie entzündungshemmende Schmerzmittel (Nichtsteroidale Antirheumatika). Diese durften sie zwar weiter einnehmen, allerdings nicht die Dosis ändern, weitere Medikamente einnehmen oder ihren sonstigen Lebensstil verändern. Während sich die Schmerzen bei der Placebo-Gruppe besserten, spürte die Kontrollgruppe keinerlei Veränderung.
„Diese Ergebnisse stellen das Verständnis um den Placebo-Effekt völlig auf den Kopf”, sagt Studienautor Kaptchuk. Die Studie zeige, dass der Effekt eines Scheinmedikaments nicht notwendigerweise vom Glauben des Patienten abhängt. Die Forscher vermuten, dass allein das Ritual der Medikamenteneinnahme und die Arzt-Patienten-Gespräche bestimmte Hirnregionen aktivieren, die sich positiv auf das Schmerzempfinden auswirken – egal ob der Patient weiß, ob es sich dabei um ein Placebo handelt oder nicht. "Natürlich können Placebos keine Tumore schrumpfen oder Arterien erweitern. Sie sind kein Wundermittel, aber sie können dabei helfen, dass Patienten sich besser fühlen", sagt Kaptchuk. Die Studie untermauere also einmal mehr, dass Scheinmedikamente klinisch relevant sind und tatsächlich helfen können.
NK