Wie unterstützt man einen Menschen mit Depressionen oder in einer akuten Krise? Das kann jeder lernen, zum Beispiel in einem Erste-Hilfe-Kurs für psychische Gesundheit.
Einen Erste-Hilfe-Kurs haben viele schon einmal absolviert und wissen zumindest ungefähr, wie die stabile Seitenlage oder eine Herzdruckmassage funktionieren. Doch was tun, wenn jemand eine Panikattacke bekommt, an Depressionen leidet oder sogar Suizidgedanken äußert? "In diesen Fällen fühlen sich viele Menschen hilflos und überfordert. Das Ergebnis ist, dass einfach überhaupt nicht reagiert wird", weiß Professor Dr. Michael Deuschle, Leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Mannheimer Zentralinstitut für seelische Gesundheit.
Um das zu ändern, gibt es nun auch in Deutschland einen Erste-Hilfe-Kurs für psychische Gesundheit. In diesem kann jeder lernen, Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen und in Krisen beizustehen. "Ziel ist es unter anderem, den Teilnehmenden die Überforderung zu nehmen, wenn sich eine nahestehende Person immer mehr zurückzieht, niedergeschlagen und antriebslos wirkt oder Verabredungen absagt", so Deuschle. Er leitet das Projekt zusammen mit den Psychologinnen Dr. Tabea Send und Dr. Simona Maltese.
Vorbild aus Australien
Die Idee für einen solchen Erste-Hilfe-Kurs für die Psyche stammt aus Australien. Dort haben Fachleute schon vor mehr als 20 Jahren das Programm "Mental Health First Aid (MHFA)" entwickelt. Mittlerweile wurden darüber mehr als vier Millionen Ersthelfer in 26 Ländern ausgebildet. Deuschle und sein Team haben MHFA-Ersthelfer vor drei Jahren als gemeinnütziges Projekt in Trägerschaft des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim ins Leben gerufen. Sie arbeiten in Partnerschaft mit der Beisheim Stiftung daran, auch in Deutschland ein bundesweites Netzwerk mit Ersthelfern und Kursleitern aufzubauen. "Unser Kurs füllt eine Lücke im System, weil Menschen mit psychischen Störungen oft viel zu spät in Behandlung kommen", erklärt Deuschle. Bis zur Diagnose vergehen häufig Monate, manchmal sogar Jahre. "Und Angehörige fühlen sich typischerweise überfordert." Das kann der MHFA-Kurs ändern.
In dem 12-stündigen Kurs, der online oder vor Ort stattfindet, vermitteln Deuschle und sein Team zunächst Basiswissen zu den häufigsten psychischen Störungen, wie Depressionen, Angststörungen, Psychosen oder Substanzmissbrauch. Außerdem vermitteln sie, was in akuten Krisen zu tun ist, etwa bei Suizidgedanken oder Panikattacken. Dabei gehe es auch darum zu entscheiden, ob es sich um eine akut bedrohliche psychische Krise handle, die professioneller Hilfe bedürfe, unterstreicht Deuschle. Ist dies nicht der Fall, lernen die angehenden Ersthelfer, wie sie Betroffene unterstützen können, wo es Hilfsangebote gibt und wie man dazu ermutigt, diese auch in Anspruch zu nehmen.
Übungen und Rollenspiele
Durch praktische Übungen mit Gesprächstechniken und Rollenspielen wird geübt, wie man das Gespräch aktiv sucht. Auch beiläufige Bemerkungen und Scherze über Unwohlsein oder gar Suizid sollten Ersthelfer ernstnehmen. Die richtige Maßnahme ist hier, die betroffene Person aktiv auf Suizidgedanken anzusprechen. Außerdem wird vermittelt, dass es wichtig ist, das Erleben von betroffenen Personen nicht zu bagatellisieren und mit Worten wie "Das wird schon wieder" abzutun. Generell gilt: Etwas zu tun ist immer besser als nichts zu tun.
Teilnehmen kann jeder, der sich für Themen zur psychischen Gesundheit interessiert, Vorwissen ist nicht notwendig. Aber: Wer gerade selbst unter psychischen Problemen leidet, dem rät Deuschle zunächst von einer Teilnahme ab. "Natürlich lernt man im Kurs Prinzipien, die man auf sich selbst anwenden kann, und man bekommt Tipps, wie man für die eigene psychische Gesundheit sorgen kann. Aber das ist nicht der Fokus."