Viele Menschen fühlen sich permanent gestresst und sind unter Zeitdruck. Dieser Stress kann sich auch auf andere übertragen, vor allem auf Menschen, die uns nahestehen. Warum das so ist und wie man sich davor schützen kann, erklärt ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.
Stress kann tatsächlich ansteckend sein: „Grund dafür ist schlicht und einfach unsere Empathiefähigkeit“, sagt Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der Röher Parkklinik in Eschweiler bei Aachen. „Wir versetzen uns in die Lage anderer Menschen - und so wie wir mitfühlen und mitleiden können, so ‚mitstressen‘ wir auch“, erläutert der Facharzt für Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Besonders in Familie und Freundeskreis tritt dieses Phänomen vermehrt auf: Je länger und intensiver man jemanden kennt, desto stärker fühle man mit. Doch auch relativ fremde Menschen können Stress übertragen: „Oftmals genügt es bereits, wenn wir andere Menschen beispielsweise in einer Fernsehserie in einer angespannten Situation erleben, um darauf mit einer vermehrten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol zu reagieren“, so Hagemann.
Stress belastet Körper und Psyche
Studien zeigen, dass unser Gehirn auf ansteckenden Stress ebenso reagiert wie auf selbst erlebten. Langfristig leidet darunter nicht nur die Psyche, sondern auch der Körper: Stress kann das Immunsystem schwächen, Magenschmerzen und Durchfall verursachen und sogar zu Depressionen oder schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie einem Herzinfarkt führen. Auch die Libido, die Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit werden von Stress beeinflusst.
Wie bewahre ich Ruhe in hektischen Situationen?
Wer unter Stress leide, dem rät Hagemann dazu, erst einmal etwas Abstand zu gewinnen. Hilfreich könne hierbei die Vogelperspektive sein, also das Ganze von oben zu begutachten. Ist die Situation wirklich so brenzlig? Bin ich selbst betroffen? Was kann schlimmstenfalls passieren? Antworten auf diese und ähnliche Fragen können die Situation entspannen. „Viele Stress-Situationen kann ich auch vermeiden, indem ich versuche, beispielsweise nicht abends um 18 Uhr im überfüllten Supermarkt einzukaufen oder am Wochenende alles zu erledigen, was die Tage zuvor liegengeblieben ist“, sagt der Facharzt. Ebenso hilfreich ist es vielfach, Stress-Auslöser zu identifizieren: „Überlegen Sie einmal, welche Situationen Sie besonders stressen und wie Sie diese künftig weitgehend umgehen können.“
Vielfach zeigen bereits kleine Auszeiten zwischendurch erstaunliche Wirkung: „Öfter buchstäblich innezuhalten und beispielsweise beim Spaziergang durch den Wald auf andere Gedanken zu kommen und Energie zu tanken, ist eine spürbar wohltuende Entspannungsmöglichkeit“, rät Hagemann. Auch ein heißes Bad bringt oft angenehme Ruhe. Ebenso wohltuend ist es beispielsweise, digital öfter abzuschalten und für eine gewisse Zeit nicht erreichbar zu sein.