Apotheker Rüdiger Freund
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25.10.2021
Wie alle Zellen im Körper werden die Nervenzellen im Gehirn durch Blutgefäße mit Nährstoffen versorgt. Wird dieser lebenserhaltende Strom beispielsweise durch ein Gerinnsel, das das Gefäß verstopft, abgeschnitten, sterben die Hirnzellen schon nach kurzer Zeit ab. Ärzte nennen das Schlaganfall. Beim stummen Schlaganfall passiert im Prinzip dasselbe – mit dem Unterschied, dass die Durchblutungsstörung einen "unauffälligeren" Bereich trifft. "Nicht alle Bereiche des Gehirns haben in gleichem Maße auch eine Funktion", erklärt Professor Dr. Martin Grond aus Siegen. Er ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft. "Ein Schlaganfall kann sich in einem Areal ereignen, das nicht für Bewegung oder Sprache zuständig ist. Dann treten auch keine der typischen Symptome auf."
Auch scheinbar gesunde Menschen untersuchen
"Ob der Schlaganfall Symptome verursacht, ist wirklich Zufall – je nachdem, wo er einschlägt", sagt Grond. "Aber nach jedem Schlaganfall, egal ob stumm oder nicht, steigt das Risiko, erneut eine solche Durchblutungsstörung zu erleiden." Bei den 60-Jährigen zeigt etwa jeder zehnte Anzeichen für einen stummen Schlaganfall. "Bei den 70-Jährigen ist es bereits fast jeder fünfte", berichtet der Neurologe. Grond spricht sich dafür aus, auch scheinbar gesunde Menschen dieser Altersklasse auf Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte oder Vorhofflimmern zu untersuchen. Besonders das Vorhofflimmern gerät als Ursache immer mehr in den Fokus: Normalerweise zieht sich der Herzvorhof zusammen und presst das Blut aus. Beim Vorhofflimmern schüttelt er das Blut wie ein Cocktailmixer. Grond: "Es entstehen kleine Gerinnsel. Diese winzigen Klümpchen gelangen mit dem Blutstrom ins Gehirn und können dort in einem dünnen Gefäß steckenbleiben." Wer Herzrasen verspürt, sei es permanent oder nur in kurzen Episoden, sollte das unbedingt abklären lassen.
Die geistigen Fähigkeiten leiden
Mittlerweile ist bekannt, dass nach mehreren stummen Schlaganfällen die Qualität der geistigen Fähigkeiten leidet. Grond: "Es kann sein, dass das Gehirn langsamer wird und eine Form von Demenz entsteht, auch wenn keine umschriebene Störung da ist." Es würden Veränderungen in Gang gesetzt, die ungefähr denen der Alzheimer-Demenz entsprechen. Um diesen ernsten Folgen von Gefäßerkrankungen zu entgehen, ist laut Grond ein sensibler Umgang mit den klassischen Risikofaktoren Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Cholesterinerhöhung und Bewegungsmangel wichtig. "Wer sich in der Apotheke den Blutdruck messen lässt und dabei ungewöhnliche Werte bemerkt, kümmert sich am besten gleich darum. Gleiches gilt für das Herzrasen."