09.03.2017
Im ersten Schritt stellen die Angehörigen einen "Antrag auf Leistungen" bei der Kranken- bzw. Pflegekasse des Pflegebedürftigen. Die Pflegeversicherung beauftragt daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Dies erfolgt durch einen persönlichen Besuch, auf den Sie sich als Angehöriger gut vorbereiten können. Hilfreich ist zum Beispiel ein Pflegetagebuch, in dem genau protokolliert wird, welche Hilfe die pflegebedürftige Person benötigt und wie viel Zeit dafür jeweils notwendig ist.
Auf Basis des Gutachtens legt der MDK fest, ob und wenn ja in welcher Höhe Leistungen aus der Pflegeversicherung bezogen werden können. Nicht immer wird der Gutachter zu derselben Einschätzung kommen, wie Sie selber. „Sollte Ihr Antrag abgelehnt oder der Pflegebedarf Ihrer Meinung nach zu niedrig eingestuft werden, legen Sie sofortigen Widerspruch ein“, rät Maik Greb, Geschäftsführer der Hamburger Hartwig-Hesse-Stiftung, die Wohnen und Pflege im Alter anbietet. „Fordern Sie außerdem eine Kopie des Gutachtens an, da Sie nur so nachvollziehen können, warum der MDK zu seiner Einschätzung gelangt ist. Ihr Widerspruch führt zu einer Überprüfung der Angaben des Gutachtens.“
Pflegerechtsreform: Pflegegrade statt Pflegestufen
Anfang 2017 ist die Pflegerechtsreform in Kraft getreten. Seit der Reform wird die Pflegebedürftigkeit durch den MDK anhand von sechs unterschiedlichen Kriterien festgestellt. Der Pflegebedarf wird nun differenzierter in fünf Pflegegraden statt zuvor in drei Pflegestufen unterteilt. Insbesondere nehmen nicht mehr nur die körperlichen Einschränkungen, sondern auch geistige und psychische Erkrankungen wie Alzheimer oder Demenz Einfluss auf die Einstufung der Pflegebedürftigkeit. Die Ambulante Betreuung wird gestärkt, in dem mehr Geld für die entsprechenden Leistungen zur Verfügung gestellt wird. Auch hier profitieren insbesondere Demenzkranke, die zuvor deutlich vernachlässigt wurden. Aber auch stark pflegebedürftige Personen, die stationär untergebracht sind, erhalten zukünftig einen höheren Zuschuss als zuvor.
Professionelle Betreuung in der eigenen Wohnung
Die meisten Menschen wünschen sich, auch im Alter in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben zu können. Wenn Sie als Angehöriger die Pflege nicht oder nur teilweise übernehmen können oder wollen, kann ein ambulanter Pflegedienst beauftragt werden. Dieser übernimmt auf Basis der Einstufung durch den MDK die durch ihn definierten Leistungen. Das Angebot solcher Dienstleister ist groß, entsprechend haben Sie die Qual der Wahl. Achten Sie bei der Auswahl darauf, einen nah gelegenen Dienst zu wählen, der im Notfall schnell zur Stelle ist. Auch sollte ein Notdienst in der Nacht und am Wochenende angeboten werden. Ein festes Team ist für die pflegebedürftige Person angenehm und steht für Kontinuität. Schauen Sie sich die Mitarbeiter genau an und suchen sie gezielt das Gespräch mit ihnen: Machen sie einen gehetzten, überforderten Eindruck? Wie äußern sie sich selber über ihren Arbeitgeber?
Pflege durch einen Angehörigen
Wenn Sie sich dafür entscheiden, die Pflege von Angehörigen in häuslicher Umgebung kurz oder langfristig selbst zu übernehmen, haben Sie als Angestellter und Beamter das Recht, bis zu sechs Monate ganz oder teilweise aus dem Beruf auszusteigen. Handelt es sich nur um wenige Tage, spricht man von einer „kurzzeitigen Arbeitsverhinderung“, die auf maximal zehn Arbeitstage ausgelegt ist. Sie kommt meist in Krisenfällen zum Tragen, wenn ein akuter Pflegefall eintritt, für den die pflegerische Versorgung sichergestellt oder die Pflege organisiert werden muss. Für diesen Zeitraum muss der Arbeitgeber Sie ohne Ankündigungsfrist freistellen. Dieses zwar ohne Gehaltsfortzahlung, aber Sie können Pflegeunterstützungsgeld bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen beantragen.
Möchten Sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen längerfristig zu Hause pflegen, können Sie bis zu sechs Monate ganz oder teilweise aus dem Job aussteigen – vorausgesetzt Sie sind in einem Betrieb mit mindestens 15 Mitarbeitern beschäftigt. Während dieser so genannten „Pflegezeit“ erhalten Sie keine Gehaltsfortzahlungen, können aber ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen, um die Einkommensverluste abzufedern. Ist die Pflege länger als auf sechs Monate angelegt, können Sie „Familienpflegezeit“ beantragen. Sie dürfen Ihre Arbeit für einen Zeitraum von maximal 24 Monaten auf bis zu 15 Stunden pro Woche zu reduzieren. Voraussetzung: Sie arbeiten in einem Betrieb mit mehr als 25 Beschäftigten. Wie bei der Pflegezeit haben Sie Anspruch auf ein zinsloses Darlehen, mit dem Sie einen Teil des Verdienstausfalles ausgleichen können.
Um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase zu begleiten, können Sie eine bis zu dreimonatige vollständige oder teilweise Auszeit nehmen. Auch hier besteht die Möglichkeit, ein zinsloses Darlehen aufzunehmen. Sofern die Pflege durch einen Angehörigen professionell umgesetzt wird, zahlt die Pflegekasse entsprechend auch die Zuschüsse.
Tagespflege oder stationäres Pflegeheim?
„Eine sinnvolle Ergänzung zur ambulanten Pflege kann auch der Besuch einer
Tagespflegeeinrichtung sein“, weiß Greb. „Hier wird den Seniorinnen und Senioren ein abwechslungsreicher Tagesablauf außerhalb der eigenen Wohnung geboten. Die gemeinsamen Aktivitäten mit professioneller Betreuung bieten den älteren Menschen vielfache Anregungen für Körper und Geist und halten sie so länger fit.“ Analog gibt es als teilstationäre Lösung auch nächtliche Betreuung. In beiden Fällen leistet die Pflegekasse einen Kostenzuschuss entsprechend des jeweilig definierten Pflegegrades.
Ist die Pflege zu Hause nicht möglich, ist eine stationäre Pflegeeinrichtung die Alternative. Auch hier sollten Sie sich im Vorfeld ausführlich über die Einrichtung informieren. Besuchen Sie die Angebote, die für Sie in Frage kommen auch unangemeldet. Sprechen Sie mit Bewohnern und Mitarbeitern und recherchieren Sie auch im Internet, ob es hier persönliche Erfahrungsberichte gibt
Ist die zu pflegende Person an Demenz erkrankt? Dann könnte eine Wohn-Pflegegemeinschaft für Menschen mit Demenz eine gute Alternative zu einer großen Einrichtung sein. Wohn-Pflege-Gemeinschaften vereinen individuelles Wohnen mit professioneller Betreuung. Wie in einer klassischen WG hat jeder Bewohner ein eigenes Zimmer, das er selbst einrichtet, dazu kommt ein Gemeinschaftsbereich. Professionelle Pflegekräfte betreuen die Bewohner rund um die Uhr und binden sie, je nachdem wie der individuelle Zustand es erlaubt, in die täglichen Abläufe mit ein.
Wer zahlt?
Die Pflegekasse leistet entsprechend des ermittelten Pflegegrads jeweils nur eine anteilige Zahlung der Pflegekosten. Den Rest zahlt der Pflegebedürftige von seiner Rente oder seinem Vermögen. Dabei kommen im Monat je nach Pflegegrad schnell hohen Kosten zusammen: Der Zuschuss für Ambulante Pflege beginnt bei mehreren Hundert Euro im Monat. Der Eigenanteil in einem Pflegeheim beträgt etwa 2000 Euro. Kann die pflegebedürftige Person die Kosten nicht übernehmen, springt zunächst das Sozialamt ein.
Das Amt prüft im nächsten Schritt allerdings, ob die Familie des Pflegebedürftigen das Geld nicht rückerstatten muss. Je nach Leistungsfähigkeit anteilig oder komplett. Entsprechend in die Pflicht genommen werden der Ehepartner des Pflegebedürftigen und die leiblichen Kinder.
Rechtzeitige Planung ist wichtig
Es fällt nicht immer leicht, dass Thema in der Familie anzusprechen. Dabei ist es wichtig, sich rechtzeitig darüber zu verständigen, welche Wünsche die Eltern haben und wie man diese realistisch umsetzen kann. Gerade wenn mit Vorlauf geplant wird, können gemeinsam passende Pflegeeinrichtungen ausgesucht, die Möglichkeiten einer Tagespflege erörtert oder der barrierefreie Umbau der Wohnung für eine ambulante Lösung erörtert werden. Letzteres wird möglicherweise durch die Pflegekasse bezuschusst.
„Regen Sie möglichst rechtzeitig auch die Erstellung einer Patientenverfügung sowie einer General- und Vorsorgevollmacht an“, rät Greb. „Denn nur so ist garantiert, dass der eigene Wille im Falle des Falles auch umgesetzt wird.“ Musterformulare und Beratung gibt es beispielsweise bei der Verbraucherzentrale.
Hartwig-Hesse-Stiftung/NK